Botschaft und Bedeutung 3
Zur Ikonografie der Architektur von Zaha Hadid (1950-2016) NATURTRANSFER - DIE STATIONEN DER HUNGERBURGBAHN IN INNSBRUCK (2004-2007)
Zur Ikonografie der Architektur von Zaha Hadid (1950-2016) NATURTRANSFER - DIE STATIONEN DER HUNGERBURGBAHN IN INNSBRUCK (2004-2007)
Talstation der Hungerburgbahn,
Foto Leo Stainer 1909
Am 12. September 1906 fand die
feierliche Eröffnung der ersten
Hungeburgbahn statt.
Bereits am 1. September berichteten die Innsbrucker Nachrichten, „dass die Wagen der Hungerburgbahn drei geschlossene und zwei offene Abteile (Plattformen) mit einem Gesamtfassungsraum für 60 Personen besitzen“. Die Talstation der Seilbahn befand sich unmittelbar am rechten Innufer, also auf der Stadtseite von Innsbruck. Die Dauer der Fahrt betrug neun Minuten über den Inn und steil hinauf zum Hungerburgplateau.
Bereits am 1. September berichteten die Innsbrucker Nachrichten, „dass die Wagen der Hungerburgbahn drei geschlossene und zwei offene Abteile (Plattformen) mit einem Gesamtfassungsraum für 60 Personen besitzen“. Die Talstation der Seilbahn befand sich unmittelbar am rechten Innufer, also auf der Stadtseite von Innsbruck. Die Dauer der Fahrt betrug neun Minuten über den Inn und steil hinauf zum Hungerburgplateau.
Viele Innsbrucker und Tiroler Bürger waren entsetzt, als der Innsbrucker Gemeinderat im
Jahre 2005 beschlossen hatte, die Hungerburgbahn - mittlerweile zu einem städtischen
und nationalen Kulturdenkmal gereift - abreißen zu lassen. Der Abriss erfolgte im Jahr des
99. Geburtstags der Bahn. Eine Abschiedsfeier fand nicht statt.
Foto Leo Stainer: Die Talstation der Hungerburgbahn. Mit freundlicher Genehmigung von www.
SAGEN.at
Bereits im Jahr zuvor begannen die Arbeiten der neuen von Zaha Hadid and Architects
entworfenen Standseilbahn, die über vier Stationen von der Innenstadt über den Inn und
hinauf zur Hungerburg führen sollte. Drei Jahre später startete die Bahn in unmittelbarer
Nähe der Altstadt in der Station „Congress“, sie glitt durch einen langen Tunnel und wieder
hinaus zur Station „Löwenhaus“, die am rechten Innufer steht und querte über eine s-
förmige Schrägseilbrücke den Fluss. Ein weiterer Tunnelabschnitt folgte, und die Bahn
setzte ihre Fahrt unter freiem Himmel fort hinauf zur sechsstöckigen Station „Alpenzoo“.
Mit 46 Prozent Steigung erreichte der Panoramawagen schließlich die Endstation
„Hungerburg“.
Die als „einmalige touristische Attraktion“ gepriesene neue Hungerburgbahn, die offiziell genannte Nordkettenbahn, dürfte mit Sicherheit Touristen begeistern, wohl nur in einem begrenzten Maße die Einwohner von Innsbruck und Umgebung.
Kann man sich die auch noch nach zehn Jahren futuristisch und bizarr anmutenden Stationen im Kontext mit der Bergwelt rund um Innsbruck erschließen? Ist hier ein Zusammenhang zwischen Architektur und Natur - ein bedeutender Part in Zaha Hadids Architektur-Choreographie - zu finden? Uns erscheint die „Rhetorik der Natur“ vertrauter, weil alltäglich und allgegenwärtig. Im Sonnenlicht träumende sanfte Talauen, schroff abweisende und spitze Felsformationen oder unendlich langsam dahinziehende Gletscherflüsse bieten ein unvergeßliches Schauspiel dar. In welchem Bezug aber stehen die merkwürdigen Gebilde von Zaha Hadid and Architects in der so begeisternden Bergwelt?
Die als „einmalige touristische Attraktion“ gepriesene neue Hungerburgbahn, die offiziell genannte Nordkettenbahn, dürfte mit Sicherheit Touristen begeistern, wohl nur in einem begrenzten Maße die Einwohner von Innsbruck und Umgebung.
Kann man sich die auch noch nach zehn Jahren futuristisch und bizarr anmutenden Stationen im Kontext mit der Bergwelt rund um Innsbruck erschließen? Ist hier ein Zusammenhang zwischen Architektur und Natur - ein bedeutender Part in Zaha Hadids Architektur-Choreographie - zu finden? Uns erscheint die „Rhetorik der Natur“ vertrauter, weil alltäglich und allgegenwärtig. Im Sonnenlicht träumende sanfte Talauen, schroff abweisende und spitze Felsformationen oder unendlich langsam dahinziehende Gletscherflüsse bieten ein unvergeßliches Schauspiel dar. In welchem Bezug aber stehen die merkwürdigen Gebilde von Zaha Hadid and Architects in der so begeisternden Bergwelt?
Station Alpenzoo, Foto Werner Huthmacher
Vielleicht müssen wir zunächst
die Sprache der spezifischen
architektonischen Strukturen
durchleuchten, ähnlich wie es
uns mit der „Light Rail-
Language“ der Fire Station auf
dem Campus von Vitra in Weil
am Rhein gelungen ist (Siehe
Post „Botschaft und Bedeutung
1“). Diese Installationen sollten
die Feuerwehrleute mit der
Komposition ihrer Architektur
vertraut machen. Das
jedenfalls war die Absicht und
die Botschaft der Architektin.
Station Congress, Foto Werner Huthmacher
„Shell & Shadow“, das Credo der Architektin für das Nordketten-Standseilbahn-Projekt,
also „Schale und Schatten“, sollten die Basis für den Verbund von Architektur und Natur
beschreiben. Zaha Hadid wollte damit das Fließen und Gleiten der artistisch geformten
Schalenkonstruktionen beschreiben, die durch die Gletscher der Tiroler Bergwelt inspiriert
wurden. Jede Station wird ihren eigenen Charakter erhalten, um nicht nur auf die
Besonderheiten ihrer Umgebung aufmerksam zu machen, sondern auch so etwas wie ein
Zwiegespräch zwischen Architektur und Natur zu inszenieren.
Station Löwenhaus,
Foto Werner Huthmacher
Die Station Löwenhaus,
unmittelbar vor der s-förmigen
Schrägseilbrücke über den Inn
mit den hoch aufragenden
Pylonen bietet einen
spektakulären Anblick. Zaha
Hadid und ihr Partner Patrik
Schumacher heben
ausdrücklich hervor, dass sie
Gletschermoränen und
gewundene Gletscherflüsse
studiert haben, um die
Rhetorik der Bergwelt
kennenzulernen und auf die
Sprache der Architektur zu
übertragen. Das mochte sie
auch veranlasst haben, diese
Station mit einer „fließenden
Brücke“ zu verbinden.
Station Alpenzoo, Modell,
Zaha Hadid Architects
Nach der Passage über den Inn taucht die
Bahn in den Weiherburgtunnel ein und steigt
steil hinauf zur Station Alpenzoo, die einen
sechs-stöckigen Betonturm mit Treppenhaus
und Lift bekrönt.
Man möchte sich in einer Eiswelt, einer Art Gletschertunnel wähnen (Abb. unten).
Diese Illusion ist phantastisch in Szene gesetzt worden mittels einer vom Computer gesteuerten Fräsemaschinen (CNC milling), die das Design der Schalenform präzise in die konstruierte Dachgebilde der Station umzusetzen vermag.
Man möchte sich in einer Eiswelt, einer Art Gletschertunnel wähnen (Abb. unten).
Diese Illusion ist phantastisch in Szene gesetzt worden mittels einer vom Computer gesteuerten Fräsemaschinen (CNC milling), die das Design der Schalenform präzise in die konstruierte Dachgebilde der Station umzusetzen vermag.
Station Alpenzoo, Foto Hélène Binet
Zaha Hadid Architects ist es gelungen, ein Designkonzept zu entwickeln, das für jede
Station variantenreich angewendet werden konnte. Mit anderen Worten: Jede
Schalenform ist individuell gestaltet, gehört aber derselben Design-Familie an.
Wie eine Gletscherzunge scheint das Schalendach der Endstation Hungerburg aus dem
Bergmassiv der Nordkette heraus zu drängen und öffnet sich für die Fahrgäste, um ihnen
den Blick in die Alpenwelt zu ermöglichen.
Vielleicht muss man ein wenig Zeit investieren, um sich mit der Design-Rhetorik der einzelnen Stationen vertraut zu machen. Ein kurzer Aufenthalt in jeder Station wäre ratsam, um allmählich die enge Verbindung zwischen Architektur und Natur nachzuempfinden. Wenn auch der Verlust der ehrwürdigen Hungerburgbahn für viele Menschen wohl immer noch schmerzlich ist, sollte man auch das Engagement Innsbrucks für moderne und außergewöhnliche Architektur anerkennen.
Station Hungerburg, Foto Roland Halbe
Vielleicht muss man ein wenig Zeit investieren, um sich mit der Design-Rhetorik der einzelnen Stationen vertraut zu machen. Ein kurzer Aufenthalt in jeder Station wäre ratsam, um allmählich die enge Verbindung zwischen Architektur und Natur nachzuempfinden. Wenn auch der Verlust der ehrwürdigen Hungerburgbahn für viele Menschen wohl immer noch schmerzlich ist, sollte man auch das Engagement Innsbrucks für moderne und außergewöhnliche Architektur anerkennen.
Sämtliche Fotos der Nordkettenbahn durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Zaha-Hadid
Office in London der Website: http://www.zaha-hadid.com für diesen Post entnehmen.
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