Botschaft und Bedeutung 2
Zur Ikonografie der Architektur von Zaha Hadid (1950-2016)
Parametrismus - Weil am Rhein (1996-99) und Straßburg (1998-2001)
Wenige Jahre nach der Fertigstellung der Fire Station auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein baute Zaha Hadid nur wenige Kilometer entfernt in derselben Stadt einen Pavillon für die Landesgartenschau „Grün99“.
Foto Hélène Binet
Ihr kongenialer Partner in Sachen „Design“ war damals Patrik Schumacher. Der diplomierte Architekt und Ingenieur - unter anderem promovierte er in Philosophie - spielte eine aktive Rolle in der Entwicklung des Gebäude-Designs. Das galt damals nicht nur für die Fire Station, sondern ebenso für viele weitere Projekte - unter anderem auch für den Pavillon der Weiler Landesgartenschau. Sein Credo „parametrische Dynamik“, entfaltet ungewöhnliche Perspektiven für die Entwicklung neuer Entwurfstechniken. Dabei geht es um die Integration des urbanen und ländlichen Umfeldes. Die komplexen Lebensprozesse müssen erfasst, als Strukturfelder begriffen und architektonisch umgesetzt werden
Das Gelände der Landesgartenschau „Grün99“
Grafik Weil am Rhein
„Das parametrische Entwerfen beruht auf dem System, dass alle Elemente einer Komposition durch Parameter festgelegt sind und so aufeinander reagieren können.“
(Patrik Schumacher in: Build. Das Architektur-Magazin „Zukunft“, Bd. 6, London 2007)
Ähnlich wie bei der Fire Station bestimmen auch in Weil am Rhein die landschaftlichen Strukturen das Design des Pavillons. Der rote, gebogene Keil zeigt die Platzierung und die Form des Pavillons inmitten einer Parklandschaft, bestehend aus Wegformationen, die ineinander verwoben scheinen, um der Natur Raum zu geben. In diese Bewegung gleitet der Pavillon, sich in die Strukturen der Natur fügend. Metaphorisch betrachtet ist es die Natur, die zusammen mit den Pflanzen und Flüssen auch den Pavillon „Landscape Formation One“ hervorgebracht hat.
Painting Zaha Hadid Architects
Im Gegensatz zur Fire Station, die sich kompositionell in das eher kantige und eckige Strukturgitter der sich kreuzenden Straßenachsen des Campus mit den rechteckigen Produktionsgebäuden entlang der zur Campus-Grenze sich leicht abknickenden Hauptachse (Charles Eames Straße) fügt, dominieren die Schwünge und Rundungen den „Landschaftsgarten-Pavillon“.
Die Architektin und ihr Chef-Designer haben mit beiden Bauwerken beeindruckende Antworten auf das unmittelbar zugeordnete Umfeld gefunden - sei es durch Architektur oder Natur geprägt.
Nur zwei Jahre nach dem Weiler Pavillon erhält Zaha Hadid den Auftrag für einen Straßenbahn-Terminal mit Parkplatz für Straßburg-Hoenheim. Das Projekt wurde in den Jahren von 1998 bis 2001 fertiggestellt.
Foto Hélène Binet
Zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entschied sich die Stadt Straßburg, das Zentrum mit Stadtteilen durch eine Straßenbahnnetz zu verbinden. Dieses aus vielen europäischen Großstädten seit Jahrzehnten verbannte Verkehrsmittel erfuhr seine Wiederauferstehung. Da umfangreiche bauliche Maßnahmen für die „Tramway de Strasbourg“ getroffen werden mussten, lag es nahe, mit dem Projekt eine urbane Neugestaltung zu verbinden. Mit der Einbindung der Straßenbahnlinien in den Wohn - und Arbeitsbereich, kam den Haltestellen, insbesondere den Endstationen eine besondere Rolle zu. Hier mussten für viele in der Umgebung Straßburgs wohnende und in der Stadt beschäftigte Arbeiter oder Geschäftsleute geräumige Parkplätze errichtet werden. Das betraf auch Hoenheim, den nördlichen Terminal der Linie B.
Es handelt sich hier um eine Kombination von weiträumigen Parkplätzen und einer großzügig gestalteten Haltestelle, die sich der Umgebung über den Winkel einer Straßenkreuzung geschickt angepasst hat. Skizzen und ein erster Plan haben die Möglichkeiten veranschaulicht, das Gelände optimal zu nutzen.
Sketches © Zaha Hadid Architects
Sketches © Zaha Hadid Architects
Die Planung ging davon aus, verschiedene Bereiche und Linien einander überschneiden zu lassen, wie die beiden Skizzen zeigen. Dadurch entstehen kleinere und größere Felder, die sich scheinbar in- und auseinander bewegen. Zu vergleichen wäre diese Feld- und Liniendynamik mit einem elektromagnetischen Feld (Abbildung unten).
Jedes Feld, so Zaha Hadid/Architects, sollten fahrende Autos und Straßenbahnen, sowie die Bewegungen der Fahrräder und Fußgänger in den Strukturen widerspiegeln. Diese Überlegungen standen am Anfang, da von vornherein beabsichtigt war, dass der ständige Wechsel zwischen Autos, Straßenbahnen und Fahrrädern den räumlichen Wechsel und damit auch das Design definiert.
Die beeindruckende Luftaufnahme veranschaulicht das Szenarium: Ein weißes Hakenfeld umgreift die Parkplätze und die Haltestelle, die sich ihrerseits aus zwei Haken zusammensetzt.
Aerial Photography © Roger Rothan
Foto Hélène Binet
Näher betrachtet, erkennt man Lichtsäulen, die eine Orientierung in der Nacht erleichtern. Und wieder ist man versucht, in dieser Struktur eine elektromagnetisches Feld zu erkennen (siehe Abb. oben). Ob das beabsichtigt war, ist nicht erwiesen, man kann es nur vermuten. Aber welche Bedeutung sollte man dieser Metapher zuschreiben? Vielleicht die Dynamik suggerierende Gestaltung des Parkplatzes und der Haltestelle, die sich ebenso auf bewegte Bezugssysteme und zeitlich veränderliche Felder, eben auf Elektromagnetismus bezieht, auf die physikalische Grundlage von Licht und Bewegung - letzteres besonders auf die der Lichtmasten, Fahrzeuge und Straßenbahnen.
Sämtliche Fotos, bis auf die Grafiken „Weil am Rhein“ und „Elektromagnetismus“ durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Zaha-Hadid Office in London der Website: http://www.zaha-hadid.com für diesen Post entnehmen.
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