Mittwoch, 2. März 2016

Blood on Snow


Jo Nesbø
Blood on Snow - Der Auftrag
Ullstein 2015

Harry-Hole-Fans merken auf: Mit dem Titel „Blood on Snow“ bringt der Ullstein Verlag eine neue Krimi-Serie auf  den Markt. Der erste Band, „Der Auftrag“, liegt vor. Ein zweiter, bereits angekündigter Titel, wird demnächst folgen. Der Held heißt Olav - ist aber kein Held, sondern ein Killer, der sich in eine Frau verliebt hat, die er töten soll. Was tun? Den Auftraggeber töten und mit der Frau verschwinden? Ihm fällt eine elegante Lösung ein. Doch wird der Plan klappen? Er muss klappen, denn nur so kommt er in den Besitz von viel Geld, was er benötigt, um mit der Frau seiner Träume unterzutauchen.  

Nesbø hat ein schlankes Handlungsgerüst entworfen, aus dem die Spannungselemente scharfkantig herausragen, und zwar in Verbindung mit spektakulären Schauplätzen - eine Spezialität Nesbøs. Es fehlt jedoch eine ganze Menge, beispielsweise das soziale Umfeld der Hauptfiguren, der Szenenwechsel zu den ermittelnden Polizisten oder die urbanen Stimmungsbilder von Oslo.  Die Erzählperspektive konzentriert sich auf den Killer, weniger auf Corina, seine Liebe oder auf die übrigen Personen, die als Randfiguren verblassen. Auch die persönliche Geschichte von Olav, der mental ein wenig zurückgeblieben zu sein scheint, wird nur bruchstückhaft vermittelt und trägt kaum zur Beurteilung seines Handelns bei. Was bleibt übrig? Brutales Hinmorden und literweise Blut. Das ist wahrlich nicht viel und meilenweit von der filigranen und facettenreichen Erzählkunst Nesbøs entfernt. 

Man sollte aber auch eine weitere Seite für die Beurteilung dieses Mini-Romans in Betracht ziehen - eben den Mini-Roman von nur 180 Seiten. Das Papier fällt etwas voluminöser und gewichtiger aus, so dass der Band nur wenig dünner ist als ein Taschenbuch von 380 Seiten. Und den Font hat man ebenfalls heraufgesetzt, mindestens um einen Punkt. Das nur nebenbei. Aber der Mini-Roman ist Programm. Es geht Nesbø einzig um die Spannung. Die stakkatohaft vorangetriebene Handlung hetzt von einem Spannungspunkt zum anderen. Um sein Ziel zu erreichen, muss Olav schließlich seinen Kopf in den Rachen des Löwen legen, von dem er weiß, dass er gnadenlos zubeissen wird. Dieses Szenarium, angereichert mit vielen Begleithandlungen, zieht sich in einem irrwitzigen Tempo über die Seiten, so dass man das Buch für kurze Augenblicke zur Seite legen muss, um Atem zu holen. 

Nesbøs Inszenierung von Spannung ist eine Kunst, wenn man so will, eine literarische Preziose. Man sollte sich die Lektüre auf gar keinen Fall entgehen lassen. Und wer sich dann doch nach der epischen Breite eines „Harry Hole“ sehnt, der kann getröstet werden. In einem Interview wurde der Autor  gefragt: „Harry Hole - werden wir ihn wiedersehen?“ Nesbø: „Sie werden ihn wiedersehen. Ich weiß nur noch nicht, wann.“


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