Donnerstag, 4. Februar 2016

Natur und Architektur

Tadao Ando Konferenzpavillon 

Der Konferenzpavillon im Kirschbaumgarten

Tadao Ando, Konferenzpavillon, Vitra, Weil am Rhein (1989-93)
Am liebsten würde ich Häuser ohne Dach bauen, dann bliebe die Natur spürbar

Das Credo vom japanischen Architekten Tadao Ando, 1941 in Osaka geboren, unterstreicht dessen kompromisslose Haltung zum Thema Natur und Architektur. In einem Interview mit Torsten Förster in betonprisma online 92 betont Ando, dass in einer Umgebung klarer und eindeutiger geometrischer Strukturen der Mensch für die Harmonie von Architektur und Natur sensibilisiert werden kann.

Wenn die Geometrie die Gegensätzlichkeit der Aktivität der Natur hervorhebt und die Natur mit dem Lebensraum verschmilzt, kann meine Architektur letztlich die Grenzen der Baukunst durchbrechen. Aus diesem Grund kann meine Architektur nicht von der Natur getrennt werden. Ich stelle mir immer wieder die Spannung vor, die sich aus der Kombination von Natur und Architektur ergibt, wenn ich an einem Entwurf arbeite.
(http://www.betonprisma.de/ausgaben/natur/essays 0092/ betonprisma/tadao_ando.html )

Bemerkenswert ist, dass Ando nie eine Universität oder eine Akademie besucht hat. Er war sich selbst der beste Lehrer, da er von der gebauten Architektur und von seinen mathematischen und architekturtheoretischen Studien am intensivsten profitierte und somit seine Philosophie und seinen eigenen Stil entwickeln konnte. Als junger Mann war er zwischen 1958 und 1965 als Preisboxer tätig, um sich das Geld für sein Eigenstudium und für seine Reisen zu den Architektur-Metropolen der Welt zu verdienen. Einen Architektur-Vater fand er schon sehr früh in Le Corbusier, in dessen Bauten er die Poesie und Ästhetik entdeckte, die zum Maßstab seiner Gestaltung werden sollte. Im Jahre 1969 gründete er sein Büro in Osaka: Tadao Ando Architect & Associates.

Sein erstes Gebäude außerhalb von Japan entstand zwischen 1989 und 1993 auf dem Vitra-Campus, Weil am Rhein in Deutschland. Es handelt sich um den Konferenzpavillon in unmittelbarer Nähe des Design-Museums von Frank O. Gehry (1989). Besonders ehrenvoll war es für ihn, inmitten eines Kirschbaumgartens ein Gebäude zu errichten, denn Sakura, die Kirsche, wird in Japan als Sinnbild der Seele verehrt: An ihren Blüten kann man sich nur kurze Zeit erfreuen. Sie überlassen ihr Dasein dem Wind, der sie in den Himmel trägt und irgendwo auf der Erde zur Ruhe kommen lässt. Seit dem 19. Jahrhundert gilt Sakura als Nationalblume des Landes. 

Es verstand sich von selbst, dass er darauf verzichtete, Kirschbäumen zu fällen: Die Architektur muss sich der Natur unterwerfen und darf sie im Laufe der Bauarbeiten nicht verletzen. Der Kirschbaumgarten gab demnach die Anlage des Gebäudes vor. Allerdings mussten dann doch zwei Kirschbäume gefällt werden. Ob die beiden Reliefs von Kirschbaumblättern an der Wand nahe des Eingangs tatsächlich so etwas wie ein Denkmal gefällter Kirschbäume gelten kann, sei dahingestellt. Diese Geschichte wird hin und wieder von japanischen Architekten, die bei Ando studiert haben, erzählt. Während der Besichtigungstour fragen sie häufig nach eben diesen Blättern und versichern, dass Ando mit ihnen ein Zeichen der Trauer setzen wollte.

 Links und rechts an der Mauer die Blätter


Der Konferenzpavillon von oben (Foto: Vitra, Weil am Rhein) 

Ein Luftbild zeigt, wie elegant Ando die Gebäudeteile arrangierte, um sie in den Garten einzupassen. Kann dieser Grundrisse mit dem Prädikat Eleganz versehen werden, da doch die Anlage bei genauerem Hinsehen asymmetrisch ausgerichtet ist? Beim Umschreiten oder Betreten des Gebäudes fallen den Besuchern oder Konferenzteilnehmern die auf Asymmetrie weisenden Details nicht auf, da Ando diese wohl überlegt maskiert hat. 
Die Mauer, die zum Eingang führt, gibt die Richtung des Hauptflügels vor, der in den niedergelegten Hof einschneidet. Rechter Hand geht ein weiterer Flügel ab, jedoch nicht rechtwinklig, wie zu erwarten ist, sondern in einem stumpfen Winkel. Ein Kirschbaum verdeckt den Winkel und die an dieser Stelle eingefügte Notfalltür (ursprünglich von Ando nicht vorgesehen). Siehe erste Abbildung oben.


Die in die Lobby einschneidende Wand

Betritt man nach dem Eingang die Lobby, fällt linker Hand eine Mauer auf, die von außen durch die Fensterfront schräg in den Raum schneidet. Die Funktion als Raumteiler kommt wegen der verhältnismäßig geringen Dimension nicht in Frage. Wie man mit einem Blick nach draußen erkennen kann, gehört die Mauer zum rechwinklig angelegten Hof. Wenn man sich neben die Mauer stellt und in die Richtung des Mauerlaufs blickt, bemerkt man, dass sie in den Seitenflügel weist und gleichfalls in einem stumpfen Winkel zur Fensterfront steht. Allerdings kann man in den Seitenflügel nicht hineinsehen, da er halb vom Zylinder (um den man herumgehen muss) verdeckt wird. Vielleicht handelt es sich hier um eine Botschaft des Architekten: Seht her, diesen Winkel musste ich wählen, um zu vermeiden, Kirschbäume zu fällen.



Von der Lobby gelangt man durch eine Türöffnung im Zylinder über eine innere Treppe (rechter Hand) hinunter in das Restaurant und in den Hof. Für diesen Bereich waren zwei Aspekte maßgebend. 


Da ein zweigeschossiges Gebäude inmitten eines Kirschbaumgartens nichtt in Frage kam (das wäre dann höher als ein Kirschbaum), plante Ando einen niedergelegten Hof (Tiefhof), um dort die nötigen Räumlichkeiten unterzubringen. Zum anderen wollte Ando auf eine neue (für Europäer zweifellos ungewöhnliche) Art der Verbundenheit mit der Natur aufmerksam machen: Hier unten ist Natur fühlbar, nicht aber begehbar. Der Himmel, die Wolken, eine leichte Brise, vielleicht auch Regen und dann natürlich die Baumkronen der Kirschbäume sind gegenwärtig und können gesehen und gefühlt werden. Genau das meint Andos meine Architektur kann nicht von der Natur getrennt werden (siehe Zitat oben). Niedergelegte Höfe (Häuser ohne Dächer) gehören zu seinem architektonischen Baukasten wie Zylinder und Kubus. 


Im Hof bieten der gebrochene Zylinder und die Fensterwand des Restaurants faszinierende Spiegelungen und gespiegelte Verzerrungen. Wenn man sich umschaut, wird man sicherlich nicht merken, dass der noch vor den Mauern abgeschlossene Hauptflügel in seiner Verlängerung nicht in die Ecke des rechteckigen Hofs führt, sondern etwa fünf bis sechs Meter linker Hand daneben. Die Wahl einer Schräge statt einer Diagonale wird wieder dem Vermeiden vom Fällen von Kirschbäumen geschuldet sein. 


Blick auf den Hauptflügel außerhalb des Gebäudes. 
Links der Winkel des rechteckigen Hofs.


Wenn man im Hof den Hauptflügel umrundet, sind die Folge Kubus mit zwei Konferenzräumen, Zylinder und der aus der Mauer herausschneidende Flügelteil zu erkennen. 


Rechter Hand verläuft die Hofmauer mit der abgehenden und in die Lobby schneidenden oberen  Mauer. Das Problem, die Mauer eines Gebäudeteils mit einem Zylinder zu verbinden, hat Anno elegant gelöst. Er lässt eben nicht die Mauern beider Gebäudeteile ineinander schneiden. Das würde einen spitzen Winkel und damit so etwas wie eine Schmutzecke erzeugen. Er stellt den Zylinder frei und fügt in die Fuge eine schmale Glaswand. So konnte er von der einen Hofseite einen Zugang zum unteren Konferenzsaal einbauen. Durch die Scheiben kann man die schmale Fuge der anderen dem Restaurant gegenüberliegenden Hofseite erkennen.  


Dem Zylinder kommt in Andos Baurhetorik eine besondere Bedeutung zu. Er funktioniert nicht nur als ein Bindeglied, sondern auch als eine Art Gelenkstelle. Angenommen Ando skizziert in seinem Studio eine Gebäude, ohne dass ein spezieller Auftrag vorliegt. Monate später bekommt er einen Auftrag und und erinnert sich an seine Skizze, die offensichtlich  bestens geeignet ist, um die einzelnen Punkte des Auftrags zu erfüllen.


Die ersten beiden Reihen zeigen die Gebäudefolge sowie eine Terrasse (gelb), ein Wasserbassin (blau) und eine Treppe mit anschließender Grünfläche. Der Baugrund aber lässt eine solche Anlage nicht zu. Rechter Hand befinden sich ein kleiner Hügel mit einem Baum und Gebüsch, sowie eine Wiese blühender Blumen. Da die Natur Vorrang vor der Architektur hat, ändert Ando die Baufolge ab.



Der Zylinder erfüllt seine Funktion als Gelenkstelle. Der rechte Kubus wird nach unten versetzt und nimmt die Stelle des Wasserbassin an. 

Der Konferenzpavillon von Tadao Ando zeigt die typischen Merkmale der japanischen Architektur auf. Die Baurhetorik und die Bauphilosophie des Architekten wird in vielen Details plastisch greifbar wie vielleicht in keinem anderen seiner nachfolgenden Gebäude in Deutschland.

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