Dienstag, 26. Januar 2016

Auf dem Weg ins Paradies


F. Scott Fitzgerald
Die Straße der  Pfirsiche
Aufbau Verlag 2015


Ein Road Trip 
der besonderen Art

Was für ein Buch! Hardcover und Ganzleinen! Es ist eine Lust, ein solches Exemplar in den Händen zu halten. Der Umschlag, gestaltet im eleganten Art Deco-Stil, ist durchaus eines Großen Gatsbys würdig. Ein helles, fast transparentes Blau, in das eine Zigarettenwolke aufsteigt, trägt mittig gesetzt in noblen Art-Deco-Fonts den Titel: Die Straße der Pfirsiche (The Cruise of the Rolling Junk). Das hat das Buch verdient, handelt es sich doch um eine Erstausgabe, da die 1922 verfasste Story in den USA im Jahre 1924 in drei Folgen im Magazin „Motor“ publiziert und später von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen und von Biografen ignoriert wurde.  
Der Sogwirkung des Einbands kann man sich kaum entziehen. Warum auch? Die Leser haben bereits den Zugang zum atmosphärischen Ambiente gefunden, das sich auf 84 Seiten entfaltet. Die Handlung ist schnell skizziert. Es geht um eine Autotour von Westport/Connecticut, gelegen „in einer gewöhnlichen Welt“, ins verheißungsvolle Montgomery/Alabama. Diese skurrile Fahrt  haben Fitzgerald und seine Frau Zelda tatsächlich unternommen. Das muss um 1920 gewesen sein, kurz nach der Heirat mit Zelda. Der Grund für den spontanen Entschluss: Täglich Speck, Eier und Toast zum Frühstück? Nein Danke! Das beschert einem schlechte Laune, Langeweile und Trübsinn. In meiner Heimat Alabama, so Zelda, werden Biscuits und Pfirsiche serviert. Dort bin ich glücklich. Allerdings hat sich dem sorglosen Ehepaar eine nur schwer zu überwindende Hürde  in den Weg gestellt. Ihr Gefährt, ein gebraucht erworbener Marmon, in der Erzählung als „ein in die Jahre gekommener Expenso“ vorgestellt, wird wohl kaum in der Lage sein, die Grenzen des nördlichen Bundesstaates Connecticut zu passieren. Zelda schüttelt traurig mit dem Kopf: 
„Das geht nicht. Der Wagen schafft es niemals so weit. Und außerdem sollten wir es nicht tun.“
Doch für Scotti waren das bloße Formalitäten, und er lockt sie und macht ihr den Mund wässrig:
„Biscuits, Pfirsiche! Rosa und gelb, saftig …“
Und dann steigen sie in den Wagen. Die Fahrt beginnt. Schon nach wenigen Meilen stellt sich heraus, dass es sich bei dem Expenso um einen Rolling Junk, einen fahrenden  Schrotthaufen handelt. Der erfindungsreiche Fitzgerald findet immer wieder Lösungen für Reparaturen ohne spezielles Werkzeug. Um Zelda nicht zu beunruhigen, spielt er die Pannen herunter, und tatsächlich, nach mühseligen und kräftezehrenden Montagen, kommt der Rolling Junk wieder in Fahrt. Dann passiert ein schrecklicher Unfall. 
„… der Wagen schien vor unseren Augen auseinanderzufallen… im Augenblick des Unfalls war ein Objekt mit halsbrecherischer Geschwindigkeit an uns vorbeigeblitzt, etwas Seltsames und doch Vertrautes, und dann aus dem Gesichtsfeld verschwunden.“
Der Schrecken währt nicht lange - bis zum nächsten Schrecken und bis zur nächsten Werkstatt. Das jung vermählte Ehepaar gewinnt den Rolling Junk allmählich lieb. Schließlich sind sie überzeugt davon, dass er sie halbwegs sicher, wenn auch mit Verspätung, ans Ziel ihrer Träume, ins Bisquits- und Pfirsichland bringt.
In einem zweiten Teil nimmt Zelda die Hotel-Parade in Europa ab. Ob Neapel, Rom, Nizza oder Paris, die Metropolen spiegeln sich im Glanz exklusiver Hotels und in den Vergnügungen der Restaurants und Bars. Das vergnügliche und mit leichter Feder verfasste Kapitelchen ist durchaus als Fortsetzung unter dem Motto: „Vom Rolling Junk in den Glanz der eleganten Welt“ zu verstehen.
In einem Nachwort von Alexander Pechmann erfahren die Leser viele Details aus dem dramatischen Leben des Ehepaars Fitzgerald, und Anmerkungen erläutern Namen und Begriffe, die uns fremd sind. Auch die Chronik und die editorische Notiz sind sehr hilfreich für das Verständnis des leidenschaftlichen Autors F. Scott Fitzgerald.

Diese Erstausgabe als Preziose zu bezeichnen, ist nicht übertrieben. Das betrifft nicht nur die literarische, sondern auch und besonders die editorische Seite. Erstaunlicherweise erschien der Titel nicht im Taschenbuchformat und zwar aus einem triftigen Grund: In den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden die Paperbacks in Amerika immer populärer, doch Fitzgerald hat sich vehement gegen eine solche Publikation seiner Werke gewehrt. Das hat der Aufbau-Verlag 75 Jahre nach dem Tod des Autors respektiert. 
Ehrenfried Kluckert 

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