"Vallus"
oder "Vehiculum per Messes"
Die römische Mähmaschine von Arlon
Modelle einer römischen Mähmaschine
Die römische Agrarliteratur
und entsprechende Ausgrabungen vermitteln uns heute einen komplexen Einblick in
den Aufbau römischer Hofanlagen und landwirtschaftlicher Arbeitsgänge. Man wird
ebenfalls informiert über die Fertigung und Gestalt der Gerätschaften und
Werkzeuge. Das betrifft auch die Kolonien nördlich der Alpen. Nach der
Eroberung Galliens durch Caesar
entstanden etwa um 90 n. Chr. Niedergermanien (von Koblenz über den Niederrhein
bis zur Nordsee) und "Germania Superior", also Obergermanien (Teile
der heutigen Bundesländer
Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz). Bis zum Anrücken der
Alamannen ab der Mitte des 3. Jahrhunderts entfalteten die Römer in
Südwestdeutschland und eine blühende Kultur. Archäologen haben römische
Gutshöfe (villae rusticae) entdeckt und freigelegt. Ihre Schätze füllen heute größere
und kleinere Museen.
Die
römische Agrarliteratur
Tierhaltung und Erntevorgänge sind bei folgenden
Autoren nachzulesen:
M. Porcius
Cato, De agricultura (ca. 150 v. Chr.)
M. Terentius Varro, Rerum rusticarum libri III (ca. 40. v. Chr.)
P. Vergilius Maro, Georgica (27-29 v. Chr.)
Lucius Iunius Moderatus
Columella, De re rustica libri XII (ca. 25 n.Chr.)
C. Plinius Secundus, Naturalis
Historia: Liber XVIII (77 n. Chr.)
Rutilius Aemilianus Palladius, Opus agriculturae (ca. 350 n. Chr.)
Das Abernten von
Getreidefeldern, genauer, das Mähen von Gerste wird von fast allen Autoren
gleich beschrieben: Die Feldarbeiter benutzten Sicheln, die sie entweder unten
am Boden oder weiter oben unterhalb der Ähren ansetzen.
Nur Plinius und
Palladius berichten überraschenderweise von Mähmaschinen, vom "Vallus"
bei Plinius, was man mit "Zahn eines Kamms" oder schlicht mit "Pfahl"
übersetzen kann und vom "vehiculum per messes" bei Palladius, was so
viel heißt wie "Erntemaschine". Der Autor wählt ebenfalls den
Ausdruck "carpentum denticulis", was ziemlich genau mit
"Mähmaschine" zu übersetzen ist.
Historia
naturalis, Buch 18, Kap.72, Abschnitt.
296
Messis
ipsius ratio varia. Galliarum latifundis valli praegrandes, dentibus
in margine insertis, duabus rotis per segetem inpelluntur, iumento in
contrarium iuncto; ita dereptae in vallum cadunt spicae.
Die Ernte selbst wird
unterschiedlich ausgeführt. Auf den großen Landgütern in Gallien werden
mächtige Blöcke, zusammengesetzt aus Pfählen, die in Zähnen enden, auf zwei
Rädern durch Zugvieh, das hinten eingespannt ist, über das Getreidefeld
gezogen. Die auf diese Weise abgerissenen Ähren fallen auf den Block.
Palladius, Rutilius Taurus Aemiliaus,
Opus agriculturae, Libri XIV, Liber VII/II. De messibus
Pars Galliarum planior hoc conpendio utitur ad
metendum et praeter hominum labores unius bouis opera spatium totius messis
absumit. Fit itaque uehiculum, quod duabus rotis breuibus fertur. Huius
quadrata superficies tabulis munitur, quae forinsecus reclines in summo reddant
spatia largiora. Ab eius fronte carpenti breuior est altitudo tabularum. Ibi
denticuli plurimi ac rari ad spicarum mensuram constituuntur in ordine, ad
superiorem partem recurui. A tergo uero eiusdem uehiculi duo breuissimi temones
figurantur uelut amites basternarum. Ibi bos capite in uehiculum uerso iugo
aptatur et uinculis, mansuetus sane, qui non modum conpulsoris excedat. Hic ubi
uehiculum per messes coepit inpellere, omnis spica in carpentum denticulis
conprehensa cumulatur abruptis ac relictis paleis altitudinem uel humilitatem
plerumque bubulco moderante, qui sequitur. Et ita per paucos itus ac reditus
breui horarum spatio tota messis inpletur. Hoc campestribus locis uel
aequalibus utile est et his, quibus necessaria palea non habetur.
Der Einsatz des Vallus
Sowohl Plinius als auch
Palladius heben hervor, dass diese Mähmaschinen vorzugsweise in den Ebenen
Galliens eingesetzt wurden. Doch kann man davon ausgehen, dass der Vallus auch in
Rom Verwendung gefunden hat. Dort hat man ihn auch entwickelt und konstruiert.
Über die Gründe, warum die Mähmaschine nicht auch in Rom populär geworden ist,
kann man nur spekulieren. Möglicherweise war das Gelände ungünstig: Der
effektive Einsatz eines Vallus ist nur in der Ebene möglich, und die sind in
Rom eher selten im Vergleich zu Gallien und Germania Superior. Hier sind es weitläufige
Regionen und Ebenen, die für die Ernte mit einem Vallus geeignet ist.
Das Relief von Arlon
Verton - Musée
Gaumais
Es ist bisher nur ein
Dokument bekannt, das uns die Gestalt eines Vallus zeigt, und zwar das Fragment
eines Flachreliefs, das Archäologen 1958 im südbelgischen Arlon, dem ehemaligen
Land der Treverer ausgegraben haben. Arel/Arlon liegt nordwestlich von
Luxemburg. Heute ist es im Musée Gaumais in Virton (Montaubon-sous Buzenol)
ausgestellt. Offensichtlich handelt es sich um das Relief einer Grabsäule, die
im Mittelalter als Schmuckelement in
eine Stadtmauer eingearbeitet wurde. Vermutlich ist es in das 2. oder 3.
Jahrhundert n. Chr. zu datieren.
Man kann einen Landarbeiter erkennen, der die gerupften Ähren nach hinten schiebt. Ob sie dort verbleiben, was eher unwahrscheinlich ist, oder in einen Auffangkasten fallen, ist weder erkennbar, noch angedeutet. Ganz im Gegenteil: Unmittelbar hinter dem Zahn sind die Räder, die Achse und eine Deichsel, sowie der Ochse (oder ein Maultier) angedeutet. Bei der halbrunden Form unterhalb des Ochsenkopfes dürfte es sich wohl um einen Teil des Geschirrs handeln .
Landesmuseum Trier
Im Landesmuseum Trier ist
eine Rekonstruktion des Reliefs zu sehen. Hier ist ein Ährenbehälter
dargestellt. Die Deichseln sind allerdings viel zu lang und entsprechen nicht
der Beschreibung des Palladius. Man müsste sich die genannten "brevissimi
temones" (die Kurzdeichseln) wie die Trageholme einer Sänfte vorstellen.
Der Ährenkasten fiel wohl größer
aus, schließlich galt es, die Korn-Ernte eines ganzen Tages einzubringen. Dem
Relief kann man ebenfalls entnehmen, dass es hauptsächlich um die Ähren ging,
die gesammelt werden sollten. Das Stroh blieb auf dem Feld zurück. Ob später
Arbeiter kamen, um es zu schneiden und zu bündeln, ist ungewiss. Palladius
spricht von einem Ochsen, der hinter dem Wagen eingespannt ist, um ihn voranzuschieben.
Neben dem Ochsen wird wohl ein Lenker seine Arbeit verrichten, der je nach Bedarf
den Schneideblock hebt oder senkt.
Pforzheimer Heimatmuseum
Im Pforzheimer Heimatmuseum
ist ein verhältnismäßig gut erhaltenes römisches Widerristjoch ausgestellt, das
zum Geschirr eines Ochsengespanns gehörte.
Unter einem Widerrist versteht man den erhöhten
Übergang vom Nacken zum Rücken. Dort wird das Joch angelegt und Lederbänder um
Kopf und Hals befestigt. In den seitlichen Zapfen befinden sich Ösen, durch die
Seile oder ebenfalls Lederriemen zur Deichsel gezogen werden.
Modell: Ochsengeschirr mit Widerristjoch
Modell mit Ochse und Begleiter
Die Konstruktion des Vallus
Vorstellbar ist, dass die zweirädrige
Mähmaschine aus einem vorderen Schneide-Rupf-Block und einem hinteren Kasten
besteht, in dem die Ähren gesammelt werden. Es schließen sich die beiden
Kurzdeichseln an, in die der Ochse eingespannt wird. Das gesamte Gefährt wird
an die drei Meter lang gewesen sein.
Bekannt ist, dass die Römer
über fortschrittliche Technologien verfügten, unter anderem auch über
Kurbelwellen, die mittels eines Wasserrades mehrere Maschinen zum Laufen
brachten. Denkbar wäre also, dass sie den Vallus mit einem Schneide- oder
Rupfmechanismus ausgestattet haben. Die Zähne wurde also über eine Kurbelwelle,
die zugleich die Radachse darstellt, hin- und hergeschoben. Doch sehr wahrscheinlich
ist das nicht. Palladius hätte einen solchen Mechanismus mit Sicherheit
erwähnt, da er doch bis in das kleinste Detail die Mähmaschine beschrieben hat.
Modell von oben/hinten
Modell von hinten mit geöffneter Klappe
Texte und 3D-Modelle
© Dr. Ehrenfried Kluckert
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen