Die Chorturmkirchen Südbadens
Chorturmkirchen kann man als "Kronen des Glaubens" umschreiben. Dieser Kirchentyp (über dem Ostchor erhebt sich der Turm) steht im engen Zusammenhang mit der Adelskirche und frühen Kirchengründungen. Die Verbindung von Chor und Turm kann symbolisch als Verbindung zwischen dem Altar (liturgisches Zentrum) und dem Himmel aufgefasst werden. Dem Chorturm kommt eine Hoheit zu, die nicht nur sakral auf das Gotteshaus bezogen, sondern auch politisch als Herrschaftsformel gültig ist.
Folgende Orte werden besucht (von links unten nach oben).
Schopfheim - Mappach - Tannenkirch - Liel - Obereggenen - Hügelheim - Sulzburg - Forcheim
Schopfheim, St. Michael
Grabungen gaben Hinweise auf eine erste karolingische Vorgängerkirche aus dem 8. oder 9. Jahrhundert. Nachgewiesen sind Teile aus dem frühen 12. Jahrhundert.
Als der Edelfreie Konrad I. von Rötteln die Stadt um 1240 gründete, wurde in einer zweiten Bauphase der von einer Apsis abgeschlossene Chorraum verändert. Die Apsis wurde abgebrochen und der Chor dem Saal eingegliedert. Die Chorturmhalle samt Turm stammt also aus der Zeit um 1240.
Im Zuge der Stadtgründung entstand der stolze Chorturm - eine Würdeformel für den Stadtherren.
Ein spätromanisches Kapitell in der Chorturmhalle
Die Pfarrkirche von Mappach
Grabungen haben Grundmauern eines karolingischen Baus freigelegt, so dass man von einem frühen Chorturmkonzept ausgehen kann. Das bezieht sich auf die Ersterwähnung der Kirche um 874. Das seltene Motiv eines Heiligen Grabes mit Wächter verstärkt den liturgischen Aspekt eines Chorturms, nämlich die innige Verbindung zwischen Altar und Himmel.
Zu den bedeutenden Wandmalereien im Chorturm blättern Sie weiter nach unten!
Die Pfarrkirche von Tannenkirch
Für das Jahr 1179 ist eine erste Erwähnung der “Ecclesia de Tannenkilch” bezeugt.
Die Malereien im Chorturm dürften in der Zeit zwischen 1460 und 1470 entstanden sein.
Am äußeren Chorbogen, dem sog.Triumphbogen, ist das Jüngste Gericht dargestellt. In der Mitte thront der Weltenrichter, ihm zur Seite die Fürbittenden Maria und Johannes. Rechts unten züngeln die Flammen aus dem Höllenrachen hervor, um die Sündigen zu verschlingen. Zu Maria (links) haben sich die Seligen gesellt.
Am inneren Triumphbogen weht ein eleganter Engel aus einem goldenen Tor hervor, um Maria die göttliche Botschaft zu überbringen. Der Typus des Verkündigungsbildes ist von Niedereggenen und Mappach her bekannt. In Tannenkirch ist der Wohnraum Mariens artistisch mit Tor und Fenstern ausgestaltet.
Liel, St. Vinzentius
Möglicherweise gab es schon um das Jahr 1000 zwei Kirchen in Liel, wahrscheinlich auf Grund von zwei Siedlungskernen. Sie waren dem Kloster Einsiedeln unterstellt.
Der spätromanische Chorturm von Liel dürfte auf das 12. Jahrhundert zurückgehen. Kennzeichnend dafür wären die gekuppelten Rundbogenfenster (Schallarkaden). Das Langhaus wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts neu erbaut.
Das Kreuzrippengewölbe der Chorkapelle weist mit dem Schildbogen noch spätromanische Züge auf. Die Ausmalung mit dem dekorativen Rankenwerk stammt aus dem Jahre 1464, wenn wir dieses Datum auf der Tür zur Grabkapelle darauf beziehen wollen.
Die Pfarrkirche von Obereggenen
Dokumente zeugen von einer ersten Kirche aus der Zeit um 1100. Bauliche Hinweise sind allerdings nicht vorhanden. Um 1250 wurde ein Neubau errichtet, und über 100 Jahre später kam es zu umfassenden Renovierungsarbeiten. Der mächtige Chorturm, der sicherlich auch die Aufgabe eines Wehrturms erfüllt hat, ist mit gekuppelten Rundbogenfenster, ähnlich denen in Liel, ausgestattet.
Die Pfarrkirche von Hügelheim
Der Grundriss verdeutlicht mehrere Bauphasen. Ähnlich wie in Schopfheim wurde dem weitläufigen Saal ein Chorrechteck angefügt (um 1103). Später hat man den Chorturm angebaut (ca 1150-1200). Wahrscheinlich existierte sogar ein Vorgängerbau aus dem 7. oder 8. Jahrhundert. In den Fundamentzonen fand man unter anderem eine Reihe von Steinkistengräber aus merowingischer Zeit.
Auch im Hügelheimer Chorturm fallen die gekuppelten Rundbogenfenster aus der Spätromanik, also der zweiten Bauphase, auf.
An der Südwand der ersten Bauphase (um 1103) sind motivisch außergewöhnliche Fresken zu sehen.
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Sulzburg, St. Cyriakus
St. Cyriakus in Sulzburg, erbaut um 900, zählt zu den bedeutendsten ottonischen Sakralbauten Deutschlands. Die ehemalige Klosterkirche gehört zum Typus der doppelchörigen Pfeilerkirche. Diese Anlagen waren typisch für die ostfränkische Baukunst in karolingischer und besonders in ottonischer Zeit. Für den Gegenchor im Westen könnte das Stiftergrab ausschlaggebend gewesen sein.
Birchtilo, Graf im Breisgau, bat im Jahr 993 König Otto III. um finanzielle Unterstützung seines Eigenklosters, das er sich als Grablege errichten ließ. Kurze Zeit später, 996, wurde der Westchor mit einem Turm versehen, Möglich, dass Birchtilo seine Grafenwürde durch einen Chorturm unterstreichen wollte.
Innenansicht der imposanten Pfeilerbasilika
St. Cyriakus in Sulzburg steht am Anfang der Oberrheinischen Baugeschichte und führt die Riege der mittelalterlichen Kirchtürme an, seien es Chor- oder Westtürme.
Forchheim, St. Johannes d.T.
St. Johannes, am Nordrand des Kaiserstuhls gelegen, ist mit einem mächtigen Chorturm versehen, der um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden ist. Das Kirchenschiff, zwischen 1907 und 1908 von Raymund Jeblinger erbaut, zeigt neuromanische Merkmale.
Auffallend sind wieder die gekuppelten Rundbogenfenster, die sogar in drei- und vierfacher Gestalt auftreten. Dieser Chorturmtypus, dem man in Südbaden häufig antrifft, ist ein Spezifikum dieser Gegend und trägt stark zur Profilierung der mittelalterlichen Kunstlandschaft Südbadens bei.
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