Südbadische Malerschulen
In vielen Kirchen zwischen Lörrach und dem Kaiserstuhl entfaltet sich ein ungewöhnlich prachtvoller Bilderbogen mittelalterlicher Malerei. Teilweise befinden sich die motivisch raffiniert zusammengestellten Bilder in einem überraschend guten Erhaltungszustand. Interessant ist auch die Frage nach der Herkunft der Malerwerkstätten.
Die Region Lörrach/Bad Krozingen
Das magische Dreieck: Fischingen, Mappach, Blansingen
FischingenEvangelische Pfarrkirche St. Petrus
Ausmalung zwischen 1420 und 1430
Ausmalung zwischen 1420 und 1430
Die Wände des Langhauses schildern in ausgewählten Szenen das Alte (oben) und das Neue Testament (unten). Wenn auch einige Szenen nur fragmentarisch erhalten geblieben sind, üben die Zyklen immer noch einen ungewöhnlichen Reiz aus.
Auffallend gut erhalten ist das Abendmahl an der Nordwand. Die nach byzantinischem Muster aufgereihten Figuren waren ein probates Stilmittel, um Harmonie und Eintracht zu suggerieren. Räumlichkeit ist allenfalls angedeutet, weswegen die Gestalten - etwa im Gegensatz zu den Blansinger Meistern - nicht so plastisch ausgeformt sind. Statt dessen dominiert das zeichnerische Element.
Motivische Spezialitäten
Der Selbstmord des Judas, der sich am Baum erhängt, ist selten zu sehen (Nordwand). Seiner erschlafften Rechten entgleiten die Silberlinge ...
An der Westwand (oben) kann man die Trunkenheit Noahs ausmachen, eine ebenfalls selten dargestellte Szene der Noah-Geschichte: Nach der Arbeit im Weinberg wurde Noah trunken “und lag in der Hütte aufgedeckt” (Genesis 9, 21). Seine Brüder näherten sich ihm mit abgewandtem Gesicht und bedeckten seine Blöße.
Das Wunder von Mappach
In der 874 zum ersten Mal erwähnten Chorturmkirche in Mappach steht man staunend vor einem faszinierenden Marienzyklus. Die Wandmalereien im Chor stammen aus der Zeit um 1480 und stellen seltene Szenen aus der Mariengeschichte dar.
Blick in den Chor
An der Ostwand steht Maria vor dem Hohepriester und gelobt, ihr Leben Gott zu weihen (oben rechts) Links davon, an der Nordwand ist der Tempelgang Mariens dargestellt..
Das Rosenwunder
Gegenüber, also rechts der Fensternische, wird das Rosenwunder gezeigt: Alle nicht verheirateten Männer vom Stamme Davids sollen mit Ruten vor dem Altar erscheinen. Josephs Zweig treibt Blüten und eine Rose hervor. Er ist der Erwählte. Das Rosenwunder ist ein äußerst selten dargestelltes Motiv der Marien-Vita.
Bildarchitektur
Im Mappacher Chor ist ein ausgefeiltes System von bildarchitektonischen Elementen angelegt, um den Figuren der Bilderzählung Räume zuzuweisen. Die Tempelszene an der Ostwand - Maria vor dem Hohepriester - beschreibt eine räumliche Situation durch raffinierte Überschneidungen und durch zentralperspektivische Projektion.
Blansingen
Evangelische Pfarrkirche St. Peter
Die 1173 erstmals erwähnte und 1350 dem Kloster St. Blasien inkorporierte Kirche liegt nördlich unterhalb des Dorfes auf einer Wiese vor einer prächtigen Schwarzwaldkulisse. Nachdem im Jahre 1464 Markgraf Rudolf von Hachberg die Oberhoheit über Blansingen erhalten hatte, - St. Blasien behauptete weiterhin seine Besitzrechte an der Kirche - wurde das Langhaus umgebaut und mit den Fresken ausgestattet. Wahrscheinlich finanzierte der Markgraf die Ausmalung, da in der Kirche sein Wappen mehrmals zu sehen ist.
In der Blansinger Pfarrkirche lassen sich zwei Meister unterscheiden, der Petrus-Meister (oben) an der Südwand und der Passionsmeister (unten) an der Nordwand. Petrus, zu erkennen an seinem Attribut, dem Schlüssel, predigt den Nonnen. Die feingliedrigen Hände und Gesichtszüge nehmen sich "kantig" aus im Vergleich mit den eher runden und weichen Formen des Passionsmeisters. Die Dornenkrönung Christi lässt diese Merkmale deutlich erkennen.
Auch "Christi Einzug in Jerusalem" ist ähnlich gestaltet. Links erkennt man Christus mit der zum Segen erhobenen Rechten. Er wird begrüßt von seinen Anhängern, die ihn im Stadttor erwarten.
Ein einzigartiges "Fischstillleben" finden die Besucher an der Westwand, und zwar zu Füßen des Heiligen Christopherus.
Die wundersame Rettung der Fresken im 18. Jahrhundert
Der Kirchenraum ist düster. Die Gemeinde wünscht dringend den Abbruch des Langhauses und einen unverzüglichen Neubau. Immer wieder gelangten im 18. Jahrhundert solche Briefe aus Blansingen in die fürstliche Abtei von St. Blasien. Obwohl das Schwarzwaldkloster gegenüber der Peterskirche baupflichtig war, lehnte sie das Ansinnen ab, nicht nur aus Kostengründen, sondern wohl auch deswegen, weil sich die Blansinger Gemeinde seit 1556 zum lutherischen Glauben bekannt hatte.
Glücklicherweise verweigerte sich St. Blasien damals, denn mit dem Abbruch des Langhauses wäre ein unschätzbares Kulturgut zerstört worden. Das entdeckte man erst im Jahre 1924, und zwar in Gestalt spätmittelalterlicher Fresken an den Langhauswänden. Sie wurden allerdings schnell wieder übertüncht - sei es, dass man die Kosten der Restaurierung scheute, oder dass man der protestantischen Tradition, dem Wort mehr Gewicht als dem Bild zu zollen, treu bleiben wollte. Im Jahre 1953 hat man dann die Fresken endgültig freigelegt und restauriert. Zum Vorschein kam ein komplexer Zyklus, der heute in der südbadischen Kirchenlandschaft einzigartig ist.
Himmlisches Jerusalem
Kuppelmotive als Begrenzung der Bildzone
Fischingen
Mappach
Blansingen
Architekturleisten schließen die Bildstreifen im oberen und teilweise auch im unteren Bereich ab. Rahmensystem erzeugt die Illusion einer monumentalen und vielfach gekuppelten Halle erzeugt. Letzteres betrifft die unterhalb der Decke tiefenräumlich ausgestaltete Arkatur, die auf Räume zu verweisen scheint, die sich hinter den Wandbildern öffnen. Diese gemalte Bogen- und Kuppelarchitektur ist in ihrer Eigenschaft als Andeutung der visionär geschauten Himmelsstadt von der mittelalterlichen Buchmalerei her bekannt. Romanische Krypten oder Kreuzgangarkaturen könnten als Inspirationsquelle gedient haben (Abb. unten).
Fischingen und Blansingen weisen stilistische Gemeinsamkeiten auf. Das Mappacher Rahmensystem dagegen wirkt dagegen abstrakter. Beabsichtigt war wahrscheinlich eine dekorative Bildleiste.
Krypta der Abteikirche von Andlau/Elsaß, um 1100
Margarethenkapelle in Epfig/Elsaß Säulenumgang, um 1150
Niedereggenen
Evangelische Pfarrkirche
Der ursprüngliche Bau der Pfarrkirche geht auf das späte 12. Jahrhundert zurück. Davon zeugen noch die Nordwand des Langhauses und der mächtige Westturm mit den eleganten gekuppelten romanischen Schallarkaden.
Die im Langhaus leider nur fragmentarisch erhaltenen Malereien stammen aus der Zeit um 1430. Ein komplexe und gut restaurierte Ausmalung kann man dagegen im Chorgewölbe betrachten.
Chorbogen mit Blick in den Chor
Zu den Spezialitäten der südbadischen Malerei des Mittelalters gehört die räumliche Trennung der Verkündigung. Der Engel erscheint im linken Zwickel des Chorbogens. Gegenüber erkennt man Maria, die von ihrer Lektüre aufschaut.
Dieses Motiv tritt erstmals in der Trecento-Malerei in Italien auf und hat sich rasch auch nördlich der Alpen verbreitet. In Südbaden kann man es unter anderem in Tannenkirch (siehe Abschnitt Chorturmkirchen) und variantenreich abgewandelt in Riedlingen sehen.Die entschiedene räumliche Trennung verweist auf die unterschiedlichen Bereiche, die Wohnstatt Gottes, woher der Bote kommt und die Welt der Menschen, wohin der Erlöser gesandt wird.
Chorgewölbe (Detail)
Das Thema des Chorgewölbes kreist um den Zusammenhalt des Alten und des Neuen Bundes, von Synagoge und Ecclesia, des Alten und des Neuen Testaments. Im Mittelpunkt steht die christliche Kirche und die Erlösung. Die Vier Evangelisten versinnbildlichen das Wort Gottes und deuten zusammen mit den Engeln das Jüngste Gericht an. Im Zentrum zeigt sich Maria als Himmelskönigin im Kontext der Heiligen Dreifaltigkeit.
Müllheim, St. Martin
Die ehemalige Pfarrkirche, seit 1920 Fest- und Ausstellungshalle, ist über den Trümmern einer römischen Villa (Villa rustica) erbaut worden und geht auf das 8. Jahrhundert zurück. Vom Mittelalter zeugt heute nur noch der untere Teil des Turms aus dem 14. Jahrhundert mit sehenswerten Malereien in der tonnengewölbten Torhalle.
Das jüngste Gericht (Erweckung der Toten)
Die Verdammten werden vom Teufel in den Höllenschlund geführt. Die Gestaltung der Figuren und die ornamentale Rahmung, sowie ein Wappenfries deuten auf eine Entstehungszeit um 1320.
Hügelheim
Evangelische Pfarrkirche
Die Malereien der mittelalterlichen Saalkirche mit Chorturm (siehe Abschnitt Chorturm)
stammen aus der Zeit um 1300.
Die Freskenfolge hält sich an das übliche Schema, dem man auch in Fischingen (siehe oben) begegnet: In der oberen Zone der Südwand sind die Schöpfung und darunter Szenen des Alten und Neuen Testaments, letztere mit der Passion Christi dargestellt
Die Dornenkrönung ist leider nur noch fragmentarisch erhalten, wie die übrigen Szenen auch.
Eine sehr seltene Szene verdient eine besondere Beachtung, die Lamech-Geschichte mit der Schilderung vom Tode Kains (Genesis 4, 23f).
Lamech, der Kanaite und Sohn Metuschaels, sowie der Vater Nohas, war, obgleich blind, ein begeisterter Jäger. Den Jagderfolg garantierte sein Sohn Tubal-Kajin, der ihm den Bogen zum Ziel führte. Doch hielt er den im Gebüsch versteckten Kain irrtümlich für einen Fuchs. Nachdem Lamech das Unglück entdeckte, erschlug er im Zorn seinen Sohn Tubal-Kajin.
Rechts daneben eine spätere Übermalung mit dem Martyrium der Hl. Katharina.
Elegant richtet sich Gottvater auf und formt wie ein Künstler aus dunklem und hellem Wolkengebräu den Kosmos.
Bad Krozingen
Glöcklehofkapelle St. Ulrich
Die Kapelle, ein Saalbau mit eingezogenem, tonnengewölbtem Chor, ist am Ende des 10. Jahrhunderts entstanden. Bei den Malereien (um 980) handelt es sich um die frühesten Zeugnisse im deutschen Südwesten.
Über der mittleren Fensternische mit dem Opfer von Kain und Abel erhebt sich der segnende Christus in der Mandorla. Links ist die Enthauptung Johannes d. T. und seine Erhebung durch Engel in den Himmel zu sehen. Rechter Hand kann man, wenn auch sehr undeutlich, das Gastmahl des Herodes und den Tanz der Salome ausmachen.
Detail aus dem Gastmahl des Herodes
Die in Seccotechnik ausgeführten Szenen verweisen auf die ottonische Buchmalerei der Reichenauer Schule.
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