Zur Ikonografie der Architektur von Zaha Hadid (1950-2016)
Das Dach ist ein Schiff. Das Port House in Antwerpen (2007-2016)
Foto Hélène Binet
Nach der Ausschreibung des neuen Port House in Antwerpen, gewannen im Jahre 2007 "Zaha Hadid and Architects" aus London den ersten Preis. Neun Jahre später, im September 2016, konnte die Fertigstellung gefeiert werden. Es waren gedämpfte Feiern, denn die Architektin konnte an der Einweihung ihres Gebäudes nicht teilnehmen. Sie starb ein halbes Jahr zuvor.
Architekten aus aller Welt waren begeistert - wie bei fast jedem der neu erstellten Gebäude von Zaha Hadid. Journalisten wetteiferten um treffende Formulierungen, die das Gebäude charakterisieren sollten. Vielen ging es allerdings nicht um sachliche Erklärungen, sondern eher um akrobatische Wortgebilde, wie etwa "Hightech-Wolkenbügel", "spekulative Bildmontage", "spiegelnde Diamantenoptik", oder gar "Gebäudezwitter" - Kurzum: kurzlebige, subjektive Bewertungen als Kapitulation vor dem Fremden, dem Noch-Nie-Gesehenen.
Wie steht es um rationale Kommentare, also Erklärungen, die dem Zaha Hadid-Gebäude gerecht werden? Grundsätzlich beginnt jedes Bauprojekt mit den vier W-Fragen:
- Was soll gebaut werden?
- Wo soll gebaut werden?
- Wer ist der Auftraggeber?
- Wie soll gebaut werden?
Es geht also um den Gebäudetyp, den Standort, den Bauherren und das Design. Letzteres hängt in erster Linie vom Bauherren ab, denn es stellt sich die Frage: Welche Botschaft möchte er mit dem Gebäude vermitteln.
Genau das ist für Zaha Hadid der entscheidende Ansatzpunkt. Wenn man sich in ihrem Architektur - Universum auskennt, weiß man, dass sie in erster Linie die Umgebung des Standorts, die unmittelbare und die ferne Nachbarschaft, sowie die Geschichte des Areals im wahrsten Sinne des Wortes "bildlich" darstellen möchte.
Viele Beispiele wären zu nennen: Etwa die Hungerburgbahn in Innsbruck (2004-2007). Ihr Design-Vorbild für die Stationsgebäude fand sie in der schroffen Alpenwelt mit spitzen Felsformationen oder träge dahinziehenden Gletscherflüssen.
Für den Parkplatz einer Tram-Endstation in Straßburg (1998-2001) ließ sie sich von einem magnetischen Feld inspirieren.
Im Science Center "Phaeno"(2000-2005) in Wolfsburg versuchte sie, das "Experimentierfeld Natur" in der Architektur plastisch anschaulich zu machen. Die auch als Produktdesignerin tätige Architektin hat in diesem Gebäude bemerkenswerte "3D-Bildwelten" kreiert. In vielen Fällen war es aber auch die historische Dimension, die im Gebäude sichtbar gemacht wurde.
Foto Hufton &Crow
In Antwerpen war es tatsächlich die Geschichte, die den entscheidenden Hinweis für das Bauvorhaben gab. Bei der Ortsbesichtigung auf der "Mexiko-Insel" im Hafen fand sie ein altes und nicht mehr genutztes Feuerwehrhaus von1922 vor. Ihre Kenntnis von der Geschichte Antwerpens und der wirtschaftlichen Bedeutung des Hafens, die weit in die Vergangenheit zurückzuverfolgen ist, beförderte ihren Entschluss, das Gebäude nicht abreißen zu lassen. Das entsprach auch dem Wunsch der Hafenbehörde. Die Pressesprecherin Annik Dirkx:
"Wir haben uns für den Entwurf von Zaha Hadid Architects entschieden, weil diesem Entwurf ein Wert als Spektakel innewohnt. Für die Stadt und den Hafen wollten wir ein prägnantes Wahrzeichen errichten, das eine Identität schafft, die Altes mit Neuem verbindet. Seit Jahrhunderten gehört unser Hafen zu den größten der Welt. Als Kommune streben wir eine Ausrichtung auf die Zukunft an, wir wollen innovativ und mutig sein, um unsere starke Position als globaler Player zu wahren."
https://www.schueco.com/web2/port_house_antwerpen
In der Tat kann man die Geschichte des ehemaligen Feuerwehrhauses bis in das 16. Jahrhundert verfolgen. Es ist 1922 vom Stadtarchitekt Emiel van Averbeke im typisch hanseatischen Kontorhausstiel erbaut. Das waren um 1900 erichtete Mietbürogebäude großer Städte, vorwiegend Hafenstädte. Es sollte an das zwischen 1564 und 1569 im Kontorhausstil errichtete und 1893 durch einen Brand zerstörte Hansekontor erinnern. Das um 1700 gemalte großformatige Bild (Foto von 1953) vermittelt einen Eindruck von der Bauweise typischer Kontorhäuser der Frühen Neuzeit. Das Gemälde befindet sich heute im Rathaus der Hansestadt Bremen.
https://www.schueco.com/web2/port_house_antwerpen
In der Tat kann man die Geschichte des ehemaligen Feuerwehrhauses bis in das 16. Jahrhundert verfolgen. Es ist 1922 vom Stadtarchitekt Emiel van Averbeke im typisch hanseatischen Kontorhausstiel erbaut. Das waren um 1900 erichtete Mietbürogebäude großer Städte, vorwiegend Hafenstädte. Es sollte an das zwischen 1564 und 1569 im Kontorhausstil errichtete und 1893 durch einen Brand zerstörte Hansekontor erinnern. Das um 1700 gemalte großformatige Bild (Foto von 1953) vermittelt einen Eindruck von der Bauweise typischer Kontorhäuser der Frühen Neuzeit. Das Gemälde befindet sich heute im Rathaus der Hansestadt Bremen.
Foto:
Die Renovierung der alten Feuerwehr erfolgte auch aus pragmatischen Gründen, ging es doch darum, für ca. 500 Angestellte der Hafenbehörde geeignete Räumlichkeiten bereitzustellen. In der großen, von den Feuerwehrwagen genutzten Halle finden die Besucher Zugang zur Bibliothek und zum Lesesaal mit Literatur zur Geschichte des Gebäudes und des Hafens. Außerdem diente sie auch dem Einbau eines Stützsystems für den abschließenden Schiffsrumpf. Von hier führen auch Fahrstühle zum oberen Erweiterungsbau.
Foto Tim Fisher
Ein Glasdach deckt das ehemalige Feuerwehrhaus ab, das von den Seitenmauern abgestützt wird. Darüber scheint das obere Gebäude, das konstruktivistisch anmutende Schiff, zu schweben.
Jack Pauwels, verantwortlicher Direktor für das Port House bei Zaha Hadid Architects:
"Das Gewicht des neuen Gebäudes wird vollständig von zwei Betonsäulen aufgefangen, die eine in der Mitte des Innenhofs und die andere geneigt vor dem Gebäude. Die Betonbrücke verbindet die beiden Säulen an deren oberen Enden. (...) Die schwarzen Säulen im Atrium bieten seitliche Stabilität."
Zur Nutzung beider Gebäudeteile führt Pauwels aus:
"Zur programmatischen Verbindung der Bauwerkteile haben wir uns für eine Art Sandwich-Konzept entschieden, bei dem sich die allgeneinen Bereiche, wie Auditorium, Restaurant, Foyer und Konferenzräume, in der Mitte des Gesamtgebäudes befinden und damit in die oberen Etagen des bestehenden Gebäudes sowie in die unteren Etagen des neuen Gebäudes gerückt werden."
Grafik Zaha Hadid Architects
Das Antwerpener Port House dürfte als Metapher für den Augenblick stehen, in den die Vergangenheit einfließt und die Zukunft ihren Ausgang nimmt. So verstanden, hat Zaha Hadid die Botschaft der Hafenbehörde wunschgemäß um und ins Bild gesetzt. Der wie aus Edelsteinen zusammengesetzte Schiffsrumpf dürfte ebenfalls als Hinweis auf die historisch verbürgte "Stadt der Diamanten" verstanden werden.
Foto Tim Fisher
Die Fotos zum Port House durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Zaha-Hadid Office in London der Website:http://www.zaha-hadid.com für diesen Post entnehmen.
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