Es gibt so viel zu erzählen ...
Aber jetzt geht es erst einmal um "Mogli", unseren tibetanischen Hirtenhund. Ob Ihr es glaubt oder nicht: Wir, meine Frau Dany und ich, erzählen unserem Hund vor dem Schlafengehen Mogli-Geschichten (die wir natürlich uns erzählen) Aber Mogli darf auf das Bett hopsen, wenn das Signal "Mogli-Geschichte!" kommt. Nun nimmt sie jeden Abend die Bett-Gelegenheit wahr, ohne auf das Signal zu hören... Gibt ja auch nicht immer eine Geschichte ...
Dany und Mogli
Dann fangen wir mit einer Geschichte an ... Die Raben, Die Raben
Es hat einige Zeit gedauert, doch schließlich ist Moglis
Bemühen vom Erfolg gekrönt.
Musste mich mächtig in die Unterwolle legen, um Frauchen zu
überzeugen. Doch nun hat es geklappt und ich bin, zumindest für kurze
Streifzüge, frei. Dank der flankierenden Maßnahmen von Herrchen, der veritable
Überzeugungsarbeit geleistet hat, lässt mich mein Frauchen ziehen, wenn auch
auf begrenzte Zeit. Und ich werde sie nicht enttäuschen. Nein, keinesfalls! Die
Hundeschule war ätzend. Na ja, manchmal hat es auch Spaß gemacht, durch lange
Röhren zu rüsseln, auf Balken zu balancieren oder Leitern zu erklimmen und mit
einem gewaltigen Satz - natürlich auf Kommando - hinabzuspringen. Alles eine
Sache der Technik und des guten Willens. Jawohl, guter Wille und
Kooperationsbereitschaft! Das war es, und das habe ich zum Glück schnell
begriffen.
Mogli, die kleine schwarze Tibet-Terrier-Dame mit dem kecken
weißen Fleck am Hals, darf nach ihrem Mittagsschlaf allein aus dem Haus
marschieren und über den Feldweg zum nahen Wald schlendern, um dort ihre
Geschäfte zu verrichten.
Die Pferdekoppeln sind tabu. Schade, aber das geht schon in
Ordnung. Die Kartoffelfelder sind ebenfalls tabu, besonders, wenn sich der
Sommer dem Herbst zuneigt. Na ja, ich nehme mir dann manchmal einfach heraus,
dieses Tabu in meiner Eigenschaft als emanzipierte Hochland-Tibeterin zu
brechen. Dumm nur, dass die Kartoffeln, welch' göttliche Speise, welch'
höchster Genuss, nächtens in meinem Magen rumoren und dann halsauswärts
rotieren. Das ist mit Geräuschen verbunden und das hellhörige Herrchen, wenn
ich dann in meinem Elend zu seiner Schlafstatt schleiche, wird wach und putzt
das Übel schnell weg, bevor Frauchen etwas von meiner Verfehlung mitbekommt.
Leider klappt das nicht immer, denn auch sie scheint im Halbschlaf die
verräterischen Würg-Geräusche wahrzunehmen, und dann sind die gefürchteten
Lernkontrollgänge angesagt. Leinenzwang, Befehlterror mit Sitz! Platz! Nein!
Warte! Irgendwann nähern wir uns dann dem Kartoffelfeld. Nun heißt es aufgepasst!
Die Leine wird entfernt und ich spiele die dumme Tibeterin. Mit ein paar Sätzen
springe ich in das Feld, da mir schon längst der verlockende Duft einer dicken
Kartoffel in den Rüssel gezogen ist. Jetzt kommt es gleich, das scharfe
"Nein".
"Nein!"
Da ist es! Ich spiele weiter meine Rolle. Schuldbewusst
zucke ich zusammen, schnappe blitzschnell die Kartoffel, halte sie
pflichtschuldigst im Maul, senke den Schwanz ab und trotte in mäßigem Tempo zum
Frauchen.
"Gib's aus!"
Klaro! Die Kartoffel kullert aus meinem Maul, und ich
erhalte ein mageres "Brotle", will sagen, ein trockenes braunes,
mikroskopisch kleines Leckerchen. Das ist die Belohnung. Heftiges Wedeln! Dass
ich nicht freudig wuffze! Grins.
Grünfink, mein kleiner gefiederter Freund, ist nicht
unbedingt auf meiner Seite, wenn ich ihn um Rat frage. Ganz im Gegenteil:
"Du bist zu gierig!" zwitschert er mir zu.
"Ist es nicht die Gier, die uns am Leben erhält?"
"Dann ist es die Süße des Lebens, die uns nur durch die
Gier zuteil wird."
"Typisch Hund! Typisch Menschenhund. Du bist verdorben!
Grundverdorben von den Menschen!"
Da regt sich Unwille, nein, Empörung in mir. Diese
Verständnislosigkeit!
"Wenn ich auch keine moralische Unterstützung von dir
zu erwarten habe, mein lieber Grünling, dann wenigstens Verständnis!
Verständnis für die edle und uralte Rasse der Tibeter!"
"Grünling sagt sie... Oh, die Dame ist
ungehalten!" Grünfink flattert mutwillig vor Mogli her. "Zudem ist
jetzt wieder das alte Lied zu erwarten?"
"Ja, das alte Lied! Wir sind harte Arbeit gewohnt.
Tagelang, wochenlang ziehen wir mit der Herde über das Hochland. Eisiger Schnee
tobt um uns her und wir tappen ins blanke, weiße Nichts. Nur die Tibet-Terrier
kennen den Weg. Die Menschen haben sich schon längst in ihre Zelte
zurückgezogen. Tagelang, wochenlang sind wir ohne feste Nahrung. Nur der
Schnee, lange im Maul herumgewühlt und dann lauwarm geschluckt, erhält uns am
Leben. Und dann schleicht sich die Gier ein, die Gier nach Fraß, was auch immer
zu haben ist und sei es ein kleiner bemooster Stein, der wenigstens für Schwere
im Magen sorgt."
Grünfink hat sich mittlerweile auf dem Rücken des Hundes
niedergelassen und kuschelt sich in dessen langes Nackenfell ein, was Mogli mit
Genugtuung zur Kenntnis nimmt. Einer unbekannten aber durchaus interessanten
Duftspur folgend, hat Mogli den Feldweg verlassen und hält auf den Wald zu. Der
Geruch intensiviert sich und der Hund beschleunigt seine Schritte. Ein
Eichelhäher schreit auf und flattert kreischend über das Buschwerk hinweg, um
zwischen den hohen Akazien zu verschwinden.
Mit einem "Nicht mein Revier, Mogli!" befreit sich
Grünfink aus seinem Logenplatz und schwingt sich mit ein paar Flügelschlägen
hinüber zu den jungen Birken am Feldweg. Von dort hat es der Vogel nicht mehr
weit, um unser Dorf Sonngarten und die heimischen Gärten zu erreichen.
Vom nahen Kirchturm schlägt die fünfte Stunde. Die
spätsommerliche Sonne taucht die um den Kirchturm sorgsam arrangierten
Wohnhäuser, Stallungen und Scheunen in ein mildes Licht. Schäfchenwolken
treiben einträchtig über die stille Landschaft hinweg. Das nahe Zirpen, Summen,
Sirren und Wispeln der winzigen Flügelvölker, vielleicht sind auch Bienen oder
Libellen dabei, die achtsam zu meiden sind, bieten eine angenehmen Unterhaltung
für Moglis Duft-Expedition. Von ferne vernimmt sie verhaltenes Kindergeschrei,
und von den Feldern das dringliche Krächzen der Raben.
Die angepeilte und aufgespürte Duftquelle erweist sich als
nachlässig hingeworfene Cola-Dose. Mit spitzer Zunge prüft Mogli die auf
Gräsern verteilten Reste der Flüssigkeit und wendet sich schaudernd ab. Sie
lauscht in den Wald hinein - das übliche Knacken, Knistern und Knirspeln. Ein
schreckhafter Zaunkönig spaddelt im Tiefflug durchs Geäst, und eine nachlässige
Amsel pickt zwischen zwei Baumwurzeln blindwütig und erfolglos in den weichen
Boden nach einem Wurm oder einer Larve. Knapp daneben ist auch vorbei, denkt
Mogli und wendet sich gelangweilt ab. Schrapp, der Hase dürfte noch im
Verborgenen ruhen, bevor er sich in der Dämmerung auf den Weg über die Felder
machen wird, und Sinter, der Fuchs,
schläft in der Dachshöhle, bewacht von seinem schwarz-weiß gestreiften Kumpel
Griese.
Nichts los, heute, an diesem Spätsommer-Nachmittag. Ich
sollte einmal Frauchen konditionieren, dass sie mich etwas später laufen lässt,
und zwar dann, wenn die Sonne hinter den Vogesenkämmen versinkt und wohltuende
Feuchtigkeit aufsteigt, die Duftfahnen aktiviert und verstärkt, wenn die
nervösen Vögel ihren Nestern zustreben und wenn die Freunde der Nacht aus ihren
Höhlen spazieren, um die Welt zu erobern. Aber so und jetzt?
Mogli streift durch das halbhohe Gras und bewegt sich auf
den Feldweg zu. Da drüben, auf dem Kartoffelfeld, die Raben! Was für seltsame
Gesellen! Manchmal krächzen sie auf, alle zusammen und urplötzlich. Sie erheben
sich in die Luft, alle zusammen und gleichzeitig. Dann kreisen sie über das
Feld, Flügel an Flügel, Feder an Feder, wie es scheint. Selbst im Winter
fliegen sie unter drückenden Wolkenmassen rufend und schreiend und in eisiger
Kälte über das weiße Feldermeer dahin. Wohin? Das wissen sie wahrscheinlich
selbst nicht. Oder doch?
Mogli hat den Feldweg erreicht und beschließt, den Rückweg
anzutreten. Frauchen wird mit zagender Miene und Kräusellippen auf der Terrasse
stehen und ein vorwurfsvolle "Na, das wurde wohl auch Zeit!"
ablassen. Wie immer, oder fast immer. Derweil wird Grünfink auf dem Ast des Rosenbäumchens
sitzen und sorgfältig, viel zu sorgfältig, sein Gefieder putzen, um mit seinem
unverschämten Vergnügen über mein Zuspätkommen allein sein zu können.
Aber heute soll alles ganz anders kommen. Es fängt damit an,
dass die noch fernen Raben, es mögen an die zwanzig oder dreißig sein,
auffliegen und sich zu einem dichten Pulk zusammentun. In einer weiten Schleife
halten sie auf das Dorf zu. Davon merkt Mogli zunächst noch nichts. Als aber
das Geschrei und Gekrächze immer näher kommt, stutzt sie.
Die Raben besuchen unser Sonngarten, denkt Mogli. Das ist
ungewöhnlich, weil ich solche Aktivitäten nur vom Winter her kenne. Sie hält
inne, setzt sich und beobachtet aufmerksam das Treiben. Tatsächlich, die Raben
flattern wie eine dunkle Wolke geradewegs auf das Dorf zu. Ihr Schreien nimmt
an Lautstärke zu, und die Tibeterin realisiert, dass die Rabengesellschaft
gleich über sie hinwegbrausen wird.
Doch, sie erstarrt, was ist das? Einige Rabenvögel haben
sich aus dem Pulk gelöst und stürzen im Kampfflug wild kreischend direkt auf
sie zu. Mit einem flinken Satz springt der Hund zur Seite, doch da haben
bereits scharfe Schnäbel Kerben in ihr linkes Ohr geschlagen und ihr Nackenfell
zerzaust. Der Schock fährt in ihre Glieder und lässt sie zur Salzsäule
erstarren. Da naht schon die nächste Angriffswelle, und Mogli schafft es gerade
noch, mit einem weiteren Satz in die Sträucher zu springen, die den Weg vom
Feld trennen. Von einem Zwicken im Schwanz und in den Hinterläufen bleibt sie
allerdings nicht verschont.
Hier bin ich sicher, denkt sie. Was ist nur in die Raben
gefahren? Wieso greifen sie mich an?
Der Schwarm kreist in weiten Schleifen um das Gebüsch, und
Mogli kriecht mühsam durch das dichte Gestrüpp dem kleinen Brückchen zu, das
einen längst versiegten Bachlauf überspannt. Brombeeräste mit scharfen Dornen
behindern und plagen sie. Kletten vergraben sich in ihrem Fell. Immer wieder
muss sie innehalten, um sich von dem lästigen Astwerk zu befreien. Das ist
schmerzhaft.
Die Raben kreisen ohne das übliche Krächzen immer noch über
ihr. Das Rauschen klingt bedrohlich, unheimlich.
Wenn ich erst einmal die Brücke erreicht habe, springe ich
von Baum zu Baum und flitze anschließend zur Obstbaumwiese hinüber. Wenn ich
das Rauschen und flattern im Nacken spüre, schlage ich einen Haken und noch
einen. Das müsste klappen. Unter den Obstbäumen bin ich gerettet, und dann ist
es nicht mehr weit nach Hause.
Moglis Plan geht auf. Die Angriffe der Raben, die sich mit
wildem Gekrächze auf den Hund stürzen, sind folgenlos geblieben. Mogli ist in
Sicherheit. Die Raben sammeln sich über den Obstbäumen, schrauben sich in die
Höhe und fliegen der bereits niedrig stehenden Sonne entgegen auf das ferne
Gehöft der Kaltenbachs zu.
"Mein Gott, das Hundele! Zerrupft und verletzt! Voller
Äste und Kletten. Wo hat es sich nur herumgetrieben?"
War zu erwarten, denkt Mogli und blinzelt zu Grünfink
hinüber, der auf einem Ast des Rosenbaumes hockt und mit vor Schrecken
geweiteten Augen auf den Hund starrt.
"Ja, staune nur, du kleiner Flattermann! Deine
Artgenossen haben es in mörderischer Absicht auf mich abgesehen. Warum auch immer."
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"Wir sollten Schnee, die Katze fragen, was das
Rabenvolk umtreibt."
Grünfink hat sich später auf den Rand der flachen
Vogeltränke auf der Terrasse niedergelassen. Mogli blinzelt durch die
Fellsträhnen in die Abendsonne.
"Wenn ich jetzt meine täglichen Streifzüge aufgebe,
dann schleppt mich das besorgte Frauchen zum Tierarzt. Und das kann nicht
sein."
"Mogli-Löwenherz! Da musst du durch!"
"Gut gesagt, Grünfink!"
In diesem Augenblick fliegen zwei Raben mit leichtem
Flügelschlag über das Haus hinweg auf den Schwarzwald zu und geben ein
zweideutiges Krächzen von sich, das rasch im abendlichen Alltagsgeräusch
verklingt. Mogli erhebt sich, setzt sich auf ihr Hinterteil und versucht,
Witterung aufzunehmen - von was auch immer. Dann schleckt sie sich das Maul,
gähnt, legt sich wieder hin und bettet den Kopf etwas seitwärts neben die
Vorderpfoten. Mit einem "ich sehe mich einmal nach Schnee um!"
flattert Grünfink hinauf zum Pflaumenbaum und von dort hinüber zum Bauern
Rimsinger.
Ich müsste mir einen neuen Weg ausdenken, grübelt Mogli. Zu
den Obstbäumen gelange ich, ohne Gefahr zu laufen, von den Raben auf dem Feld
entdeckt zu werden. Es sei denn, der weiße Schäferhund mit dem peinlichen Namen
Rex von gegenüber bemerkt mich und würgt sein neidisches Gekläffe heraus. Das
könnte die Raben alarmieren. Dann bleibt nur noch eines: Pfeilschnell zur
Brücke hinüberschießen, Baum, Gebüsch und mit ein, zwei Sätzen über das schmale
Wiesenstück hinein in den Wald! Das könnte klappen. Aber dann fängt die gesamte
wäldische Vogelwelt an zu kreischen, um den Eindringling zu vertreiben. Die
Raben haben inzwischen längst Position bezogen, kreisen über den Bäumen und
wissen sicher genau, wo ich gerade herumtigere und wo ich irgendwann einmal am
Waldesrand auftauche.
Herumtigern ...Plötzlich, wie von der Tarantel gestochen,
wirft sich Mogli herum. Sie steht auf allen vier Pfoten und schaut hinüber auf
das abgeerntete Kornfeld. Mindestens ein Drittel davon ist schwarz gepunktet.
Die Raben. Dort hocken sie. Ihre Köpfe mit den schweren harten Schnäbeln,
weisen in Moglis Richtung. Sie schüttelt sich. Herumtigern ...
"Unser aller Hundele ist in Sorge, weil er sich vor
Vögeln fürchtet", kommt es leise aus dem Buchs. Sogleich erscheint ein
schneeweißes Fell, aus dem zwei grüne Augen leuchten.
"Ich glaube, ich bin gerade dabei, die Furcht zu
verlieren, liebe Schnee!"
Mogli schleckt kurz das Ohr von Schnee - die übliche
Begrüßungszeremonie. Schnee schnurrt behaglich.
"Du denkst ans Herumtigern, Mogli?"
"Lassen wir das! Hast du etwas in Erfahrung bringen
können?"
Schnee setzt sich und lässt ihren Schwanz zu ihren
Vorderpfoten gleiten. Sie richtet ihre Augen hinaus auf das Feld.
"Mit dem Rabenvolk ist etwas nicht in Ordnung. Ich
beobachte das seit geraumer Zeit. Sie sind so emsig, ich meine, zu emsig. Sie
suchen und scharren, manchmal sogar im Wald. Was treiben sie dort? Mein Freund
Griese, der Dachs meinte, die Marder seien im Vormarsch. Aber was hat das mit
den Raben zu tun?"
Nach diesen Worten verabschiedet sich Schnee. Sie hat
verschiedene Katzensachen zu erledigen, unter anderem das Mäusevolk drüben beim
Bauern ein wenig zu disziplinieren. Auch Grünfink gibt Mogli zu verstehen, dass
es nun Zeit sei, das Nest aufzusuchen. Mogli nimmt sich vor, am folgenden Tag, wie
gewohnt, ihr Revier aufzusuchen.
Herumtigern!
Am nächsten Tag macht sich Mogli wieder den Weg. Sie hat
gerade die Terrasse verlassen und strebt der Obstwiese zu. Dort hält sie kurz
inne und lauscht. Sie vernimmt ein Krächzen. In einer weiten Schleife zieht ein
Rabe über sie hinweg auf den Kirchturm zu. Ein erneutes Krächzen wird die
Kumpane auf dem Feld alarmieren, denkt sie. Das geht in Ordnung. Ruhig passiert
sie den Kuhstall, vor dem der angekettete Rex lauert. Er springt sofort auf und
kläfft wütend. Soll er doch!
Die Obstbaumwiese lockt mit allerlei Gerüchen und pointiert
plazierten Duftmarken, doch Mogli kümmert sich heute nicht um die neuesten
Nachrichten. Im Kräfte sparenden Passgang, einem Geschenk ihrer Rasse, erreicht
sie die Brücke und blinzelt hinüber auf das Feld, wo sich ein Pulk der schwarz
Gefiederten bereits erhoben hat und mit kriegerischem Geschrei näher kommt.
Mogli hat bereits die Wiese überquert und betritt den Wald. Hinter einem
schützende Gebüsch nimmt sie Platz und beobachtet, wie sich die Raben, es mögen
etwa ein Dutzend sein, im Gras niederlassen.
Wenn sie mich gestern attackiert, anschließend beobachtet
und mein heutiges Kommen sofort gemeldet hat, dann will diese verdammte Bande
etwas von mir. Einschüchtern und Fordern - das ist deren Devise.
Mogli schließt die Augen und verlässt sich ganz auf ihr
Gehör. Da hocken sie und schmätzeln. Vereinzelt ist ein heiseres und
verhaltenes Krächzen zu hören.
Mogli konzentriert sich und schaut in sich hinein. Vor ihrem
inneren Auge zieht über die eisige Weite die Herde. Der Schnee peitscht dem
Vieh, das mit gesenktem Gehörn gegen den Sturm anstampft, in den Nacken.
Schneetiger kreisen in der Ferne, doch trauen sie sich nicht, anzugreifen, da
die unermüdlichen Tibeter die Yaks zusammenhalten. Ein wahres Kunstwerk. Wie
ein übermächtiges einziges Tier, umrundet von den Hunden, wälzt sich die Herde
voran, sich in ihrem engen Beieinander selbst schützend. Immer wieder gleitet
ein Hund leichtfüßig über die Rücken der Yaks, um den Kopf, die Speerspitze des
wühlenden und schnaufenden Haufens zu überprüfen. Nein, die Schneetiger haben
keine Chance.
Mogli schreitet hoch erhobenen Hauptes aus dem Wald und auf
die Raben zu, die sich nervös aufrichten. Einige flattern und hüpfen ein, zwei
Meter nach hinten. Sie setzt sich auf ihr Hinterteil und schaut in die Runde.
"Da ist es ja, das Sklaventier!"
"Pfui dir! Du widerwärtige Kreatur, die sich den
Tierschändern verschrieben hat und deren schmutzige Nester teilt!"
Ein Rabe, hüpft hervor. "Wir könnten dich jetzt
verrupfen, zerhacken, zerkleinern und dein stinkendes Gedärm über die Felder
verteilen!"
Mogli bleibt stoisch sitzen und rührt sich nicht. Keine
auffällige Bewegung! Kein Schlecken des Mauls, und an Kratzen darf jetzt nicht
einmal gedacht werden! Mit möglichst ruhiger Stimme, der sie einen devoten
Unterton verleiht, spricht sie den Raben an: "Was wollt ihr?"
"Aha! Sie hat es begriffen! Jawohl, wir wollen etwas
von dir!"
"Nur zu! Wenn es in meiner Macht liegt, bekommt ihr,
was ihr wollt!"
Ein weiterer Rabe hat sich ebenfalls nach vorn gewagt.
"Hölzchen! Wir benötigen Hölzchen, dünn und etwa so
lang wie deine Schnauze. Beiße sie dir aus Ästen zurecht und schaffe sie, wohl
angehäufelt, unter die Brücke. Du weißt schon!"
"Ihr benötigt Hölzchen?"
"Jawohl, du Bettvorleger, Hölzchen!" Der Rabe, der
das Wort zuerst ergriffen hat, hüpft mutig einen halben Meter vor. "Deine
verdammten Futtergeber haben die Felder vergiftet. Verzweifelt suchen wir nach
Nahrung und haben kaum noch Zeit Nester zu bauen. Du musst uns helfen! Aber wir
bitten dich nicht darum, sondern befehlen es dir!"
"Lass gut sein, Borr!" Der zweite Rabe hüpft
ebenfalls heran. "Ich bin Kirra, und seit einiger Zeit mit Borr zusammen.
Er hat Recht. Wir brauchen die Hölzchen ... dringend!"
"Geht in Ordnung! Ich tue, was ich kann." Mogli
schleckt sich über die Nase. Die Raben flattern erschrocken zurück. Nur Kirra
bleibt stehen und fixiert den Hund.
"Ich werde heute", fährt Mogli fort, "euch
nicht mehr zu Diensten sein können. Man erwartet mich zu Hause. Morgen aber
werdet ihr die Hölzchen in beträchtlicher Menge unter der Brücke finden."
Sie wendet sich Kirra zu: "Du kannst mir vertrauen, Kirra!" Sie
schleckt sich ein weiteres Mal das Schnuffelchen. Dann steht sie auf, geht ein
paar Schritte zurück und fasst die Brücke ins Auge. Sie dreht sich noch einmal
um: "Übrigens, meine Name ist Mogli!" Fließenden, federnden Gangs
zieht sie von dannen, ein erstauntes Rabenvolk zurücklassend.
Am Vormittag des folgenden Tages haben sich Schnee, Grünfink
und Mogli auf der Terrasse zusammengetan, um die folgenden Schritte zu
beratschlagen.
"Ist das Rabenvolk tatsächlich so ordinär, wie
kolportiert wird?" Grünfink hockt an der Vogeltränke. Mogli liegt
entspannt halb unter dem Gartentisch. Sie hebt ihren Kopf.
"Nun, ich würde sagen, sie haben Angst, fürchterliche
Angst. Die entsprechende Duftmischung wehte an mir vorbei."
"Und wer ängstlich ist, wird ausfallend", ergänzt
Schnee, die sich neben der Buchskugel niedergelassen hat. "Dieser
Raben-Vorfall ist mysteriös. Fragt sich nur, was dahintersteckt."
"Das werden wir in Erfahrung bringen müssen".
Moglis Blick wandert zwischen Schnee und Grünfink hin und her.
"Nachdem du die Stöckchen unter dem Brückenboden
abgelegt hast, werden wir einen Beobachtungsposten einrichten." Schnees
Schwanz schlägt, wie zur Bekräftigung kurz auf die Fliesen. Sie blinzelt
hinüber zu Grünfink. "Du musst die erste Wache schieben, Grünfink, und
zwar von heute Mittag bis zum frühen Abend."
Grünfink plustert sich auf und schüttelt die Wassertropfen
ab, die er aus der Vogeltränke über sein Gefieder hat träufeln lassen.
"Geht in Ordnung, Schnee. Du möchtest sicherlich wissen, wer die Hölzchen
abholt."
"Die Raben werden es wahrscheinlich nicht sein",
gibt Mogli zu bedenken. "Und wer ist am Abend dran?"
"Das kann Zipp, der Zaunkönig, erledigen. Der hält sich
im niedrigen Gesträuch auf. Dort ist er fast unsichtbar, und bei Gefahr ist er
weg wie der Blitz. Ich werde ihn bei meinem Wachgang darum bitten."
"Und in der Nacht werde ich mich auf den Weg machen.
Ich glaube, ein gutes Plätzchen zu kennen, wo mein weißes Fell nicht
auffällt."
"Du meinst, auch nachts sollte die Brücke überwacht
werden?" Grünfink reckt sein Köpfchen in die Höhe.
"Gerade in der Nacht, Grünfink, bis zum Morgengrauen."
Nach einer Weile, Schnee und Grünfink haben sich
verabschiedet, um ihren Geschäften nachzugehen, macht sich Mogli auf den Weg in
den Wald, um im Unterholz nach geeigneten Ästen zu suchen und diese auf das
verlangte "Stöckchen-Maß" zurechtzubeißen. Während sie die Brücke
passiert, fühlt sie sich beobachtet und wundert sich nicht, als sie auf der
Spitze des Feldkreuzes über dem leidvollen Antlitz Christi Kirra erblickt. Mit
leisen Krächzen grüßt der Rabe den Hund, der kurz kräftig wedelt und seinen Weg
in den Wald fortsetzt.
Äste, Äste, Äste! Überall liegen sie herum. Und die Raben
sollen keine Zeit haben, ihre Nester zu bauen? Kaum zu glauben. Nun denn, an
die Arbeit!
Geschickt zerlegt Mogli das Holz, trennt kleinere Triebe von
größeren ab, sortiert sie aus und stutzt sie auf die gewünschten Maße. Ein
Maulvoll kann sie schon unter den Brückenbogen tragen, dann folgt der Rest. Es
dauert nicht einmal zwanzig Minuten, bis Mogli ihre Pflicht erfüllt hat. Stolz
blickt sie auf ihr Werk. Die Raben werden sich freuen, denkt sie, und die
Geschichte nimmt ihren Lauf.
Mittlerweile ist Kirra vom Feldkreuz hinab auf das steinerne
Brückengeländer gehüpft. "Dank dir Mogli! Darf ich dich bitten, morgen die
Hölzer neben den Grenzstein am Waldrand aufzustapeln? Du weißt schon, dort, wo
der Waldpfad in den Feldweg mündet."
"Das mach ich gern, Kirra. Grüße deinen Partner
Borr!" Mogli ist kurz stehengeblieben und schaut dem davonfliegenden Raben
nach. Warum wählen die Raben für die morgige Sammelaktion einen anderen Platz?
Das gilt es ebenfalls zu ergründen. Nachdenklich hält Mogli auf die
Obstbaumwiese zu. Das Kläffen von Rex überhört sie. Der Schlüssel zur Lösung
des Rätsels liegt bei den Raben. Ich glaube, Kirra ist schon fast auf meiner
Seite.
Es trifft sich gut, dass sich am frühen Abend Herrchen zum
Bauer Rimsinger begibt, um Eier und Salat zu holen. Bei der Gelegenheit sitzen
die beiden auf dem Bänkchen vor dem Haus und trinken genüsslich ein Bier. Ich
werde ihn begleiten, denkt Mogli, und bei dieser Gelegenheit nach Schnee
Ausschau halten. Sie sollte wissen, dass ein überraschender Platzwechsel für
die Stöckchen-Deponie angesagt ist.
"Wieso überraschend, du kluge Tibeterin?" Schnee
hockt im Hasenstall auf einem Regal und schaut auf Mogli herab, die sich sogleich
verlegen am Ohr kratzt.
"Nun ja, unter dem Brückengewölbe ... Ich meine
...!" Dann stutzt sie. "Du meinst, wenn ich zum zweiten Mal am selben
Platz die Stöckchen ..."
"Jawohl, dann hat sich das nächtliche
Transportunternehmen verraten, da es für deine scharfe Spürnase eine
Visitenkarte hinterlegt hat."
"Potzblitz!"
"Man kann nicht alles wissen oder erahnen, liebe Mogli.
Außerdem, denke daran ..."
"Ja, ja! Ihr Katzentiere seid schon viel länger auf der
Welt als wir, die wir der minderwertigen Hunderasse angehören. Deswegen könnt
ihr uns gegenüber einen mentalen Vorsprung behaupten." Mogli schleckt sich
die Pfote und fügt spöttisch hinzu: "So geht doch dein Lied, Schnee,
oder?"
"Herrchen wartet auf dich und wird gleich rufen!"
Damit springt die Katze elegant vom Regal, windet sich um den Türpfosten und
stolziert über den Hof. Im selben Augenblick hört Mogli, wie Herrchen nach ihr
ruft.
Als sie die Terrasse betritt, wartet Grünfink bereits auf
einem Zweig des Rosenbaums.
"Zipp hat übernommen. Keine besonderen Vorkommnisse. Es
kamen immer mal wieder Raben herangeflattert, um das stolze Bündel unter dem
Brückenbogen zu begutachten. Manche sind auch auf die Hölzchen gehüpft, als ob
sie Duftmarken hinterlassen wollten. Ich konnte das nicht so genau ausmachen.
Sie haben dann aber sofort wieder das Weite gesucht."
War wohl nicht anders zu erwarten! Duftmarken! Mogli steigt
die Treppe herab und begibt sich in den Vorgarten. "Ich denke, dass es die
Nacht an den Tag bringen wird. Morgen früh wissen wir mehr, wenn Schnee
berichtet hat."
"Wirst du morgen wieder auf Hölzchensuche gehen?"
"Habe es versprochen."
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Manchen Katzen sieht man es nicht an, ob sie übernächtigt
sind, da sie müde aussehen und häufig schläfrig in einer Ecke sitzen, die
Vorderpfoten nach hinten abgeknickt und unter den Bauch geschoben. Das täuscht
natürlich. In Wirklichkeit sind sie sind hellwach, reagieren auf jedes Geräusch
und scannen selbst aus halb geschlossenen Augen das Umfeld ab. Das ist ihre
Stärke und das Verderben ihrer Feinde.
"In der Ruhe liegt die Kraft!", lispelte sie
einmal Mogli zu, die sich wortlos abwandte, als habe sie diesen für ihre Ohren
törichten Spruch überhört. Eine Tibeterin ist in sich ganz Kraft, und dort, wo
Schneetiger in wütenden Schneestürmen gierig die bewachten Herden umkreisen,
stellt sie ihre mentale Kraft unter Beweis. "Suche du, Katzenlady, die
warme Ofenecke. Meine Heimat ist das vereiste Hochland Tibets!", warf sie
Schnee einmal vor die Pfoten, die trocken und spöttisch konterte: "Heute
Nacht wird wieder einmal die warme Bettdecke vom Frauchen dein Nest sein.
Träume nur vom vereisten Hochland, du wackere Heldin der schneeumtosten
Weiten!"
Damit kann ich leben, denkt Mogli, der die alte Freundin
teuer und lieb ist. Seit den frühen Morgenstunden wartet sie auf die Katze.
Irgendwo wird sie jetzt hocken, die Leichtfüßige und Lautlose, und so tun, als
ob sie schon stundenlang mein Erscheinen erwarte.
"Es sind die Marder, wie ich mir fast gedacht
hatte!" kommt es leise von hinten. Erschrocken wirft sich Mogli herum. Da
sitzt Schnee und leckt sich die Pfoten.
"Es dürfte nach der mitternächtlichen Stunde gewesen
sein, wie mir die Kirchturmuhr meldete, als zwei Marder auftauchten und nervös
fiepten. Ein weiterer Marder kam hinzu. Rasch sammelten sie die Stöckchen ein
und trugen sie im Maul fort. Ein vierter Marder schlich etwas später heran und
holte den Rest."
"Die Marder brauchen Stöckchen und erzwingen sie
offensichtlich von den Raben? Also werden die Raben bedroht, und man muss ihnen
helfen!"
"Doch zunächst sollten wir wissen, welcher Art diese
Bedrohung ist, liebe Mogli!" Schnee passiert langsam den Hund, setzt sich
vor den Buchs. Sie hebt den Kopf und blinzelt in den Himmel. "Grünfink ist
unterwegs zu uns!"
"Die Vogelwelt ist entsetzt!" Grünfink flattert
aufgeregt auf die Vogeltränke zu und lässt sich am Rand der flachen Tonschale
nieder. "Die Meisen, Buchfinken und Rotschwänzchen plappern von nichts
anderem: Die Marder sind im Vormarsch und bedrohen die Raben!" Hastig
schluckt der Vogel ein paar Tropfen Wasser. "Selbst Meister Kork, der
Kleiber, piepst heiser, dass sich die Vogelwelt wappnen müsse. Die Spechte und
Eichelhäher im Wald sind in Alarmbereitschaft. Man muss befürchten, dass kein
Vogelnest mehr sicher ist."
"Aha! Es geht also um die Vogelnester.
Interessant!" Mogli wendet sich Grünfink zu. "Du begleitest mich
heute Vormittag bei meiner Hölzchensuche und solltest, nun ja, zuvor die Runde
machen," und mit einem Seitenblick auf Schnee, "du weißt schon!"
Schnee stellt lediglich die Ohren auf, um ihr Einverständnis
zu signalisieren. Grünfink hüpft nervös auf.
"Das ist aber ..."
"Ich weiß. Das ist außerhalb deines Reviers. Aber ich
brauche dich, denn ich habe einen Plan." Und mehr für sich: "Ich
hoffe Kirra ist auf dem Weg."
Schnee spricht Grünfink Mut zu und bringt die Situation auf
den Punkt. "Die Vogelwelt im Wald ist anscheinend kurz davor, den
Ausnahmezustand auszurufen. Das betrifft auch dich, Grünfink. Was im Wald
passiert, kann schnell übergreifen auf die Büsche entlang der Felder, auf die
Bäume im Dorf und auf die Gärten."
Grünfink seufzt auf. Er hüpft mit hängenden Flügeln auf
Mogli zu. "Versprich mir, dass du immer im meiner Nähe bleibst!"
"Natürlich. Komm schon! Flieg voraus, damit du
rechtzeitig am Brückchen bist, nachdem du die Runde im Dorf absolviert
hast!"
Schon von Weitem hat Mogli Kirra auf dem Feldkreuz
ausgemacht. Der Hund grüßt und verschwindet schnell mit ein Paar Sätzen im
Wald. Die Wipfel der hinteren Bäume sind schwarz gesprenkelt. Aha! Das
Rabenvolk hat sich eingefunden. Besser kann es sich gar nicht treffen. Von
Ferne vernimmt Mogli Grünfinks zwitschern. Alles a posto. Sie knickt zwei drei
Äste ab, zerbeisst sie sorgfältig und sondert vier, fünf Hölzchen aus. Die
trägt sie zum Grenzstein. Dann schlägt sie den Weg zur Brücke ein. Entsetzt
hüpft Kirra vom Kreuz auf.
"Mogli, nur so wenig Hölzchen? Das kann nicht sein! Das
ist gegen die Abmachung!" Verzweifelt krächzt sie laut.
Mogli hält inne. Das Krächzen war das Signal, denkt sie und
schaut zurück zum Wald. Mit einem mächtigen Rauschen erhebt sich dort das
Rabenvolk von den Ästen, sammelt sich und senkt sich in dichter Formation hinab
auf die Wiese. Zwei, drei Raben fliegen etwas weiter auf die Brücke zu.
"Du dreckige Ausländerin! Gestern waren es schon zu wenig
und heute...? Das ist eine Beleidigung! Marsch zurück an die Arbeit!"
Mogli bleibt ruhig sitzen und nimmt mit Erleichterung wahr,
das Kirra ihren Platz auf dem Kreuz nicht verlassen hat. Mogli wendet sie sich
an Borr.
"Gestern habe ich die Stöckchen für euch gefertigt,
gesammelt und zum vereinbarten Platz gebracht. Warum wollt ihr, dass ich sie
heute zu einem anderen Platz trage?"
"Du stinkiger Zottel, du erbärmliche Sklavenseele! Du
hast keine Fragen zu stellen, sondern zu gehorchen. Also, ab die Post, und zwar
sofort!"
Mogli rührt sich nicht, denn Ruhe muss sie nicht
herbeizwingen: "Ich warte auf deine Antwort, Borr!"
Aggressiv hüpft Borr auf den Hund zu, hält aber erschrocken
inne, als er Grünfink erblickt, der mit fröhlichem Zwitschern herbeifliegt und
sich flink im Nacken vom Hund ein Plätzchen zurechtscharrt.
"Was soll das!"
"Das ist Grünfink, mein Freund!"
Und da Borr vor Erstaunen sprachlos bleibt, fährt Mogli
höflich fort:
"Ich habe deine Frage beantwortet, und nun bitte ich
dich, Borr, auch meine Frage zu beantworten."
"Bodenlose Frechheit! Ein Signal von mir, und ihr beide
werdet in Stücke gehauen, so dass man den Brückenweg mit euren kläglichen
Leibesfetzen pflastern kann."
Grünfink fliegt auf, zwitschert und senkt sich wieder zurück
ins Nackenfell von Mogli, die Borr fixiert und ihm leise zuraunt:
"Das war unser Signal. Nun warten wir auf dein Signal,
Borr!"
Verdutzt schaut Borr vor sich hin. Das versteht er nicht. Er
schüttelt sich. Sein Gefieder plustert sich im blau-schwarzen Glanz auf. Doch
schnell hat er die Fassung wiedergewonnen. Nicht schnell genug, denn plötzlich
fliegt ein Elstern-Pärchen auf Mogli zu und lässt sich an seiner Seite nieder.
"Seid gegrüßt Franco und Franca ..."
Im selben Augenblick rauscht es durch die Luft und vom
Kirchturm schießen die zwei Falken Secondo und Seconda herab, um sich ebenfalls
neben Mogli zu postieren. Laut schreiend, das es durch Mark, Bein und Federkiel
dringt, kommt Cop der Eichelhäher herangebraust. "Die anderen Kumpels sind
schon unterwegs!" bringt er keuchend heraus, während er vor Mogli aufsetzt
und gleich darauf mit auf Borr zuhüpft.
Das kann Borr aushalten, doch was er jetzt zu sehen bekommt,
lässt den Raben vor Entsetzen erstarren. Unter der Brücke kommt stolz Schnee
hervor und postiert sich neben die Elstern. Borrs Kopf schießt herum. Aus dem
Wald schleichen Krafti, der schwarz-weiße Hauskater und Tonga, die im Dorf und
in der Region gefürchtete rot-getigerte Katze heran.
Ein Teil des Rabenschwarms hat sich erhoben und fliegt laut
schreiend davon. Borr ist zurückgewichen. Ratlos lässt er seinen Kopf kreisen.
Der größte Teil seiner Gefolgschaft hat sich davon gemacht. Borr dreht sich um
und will ebenfalls gerade wortlos das Feld räumen, als Kirra herbeisegelt, sich
neben ihren Gefährten stellt, ihn liebevoll mit dem Schnabel im Nacken peckt,
um unverzüglich auf Mogli zuzuhüpfen.
"Sei gegrüßt, Kirra!"
"Sei gegrüßt, Mogli!" Sie schaut in die Runde.
"Seid alle gegrüßt, ihr Freunde von Mogli!" Sie dreht sich kurz zu
Borr um, der stumm bleibt und offensichtlich das Kommando an seine Gefährtin
abgegeben hat. Kirra zupft eine Feder an ihrem linken Flügel zurecht, hebt
ihren Kopf und streckt die Brust vor.
"Es sind die Marder, die uns zu Abgaben zwingen. Sie
erpressen von uns täglich Unmengen von Stöckchen, mit denen sie offensichtlich
einen blühenden Handel in Sonngarten und in der Region führen."
"Oh ja, das kann man sagen!" Sinter der Fuchs ist
aus dem Wald getreten, schnappt sich die Hölzchen am Grenzstein und marschiert
zu Mogli. Er stupst sie mit der Nase ins Fell.
"Na du tibetanische Hochland-Töle, veranstaltest du
gerade eine Anti-Raben-Party mit deinen Freunden?"
"Eine Pro-Raben-Party, Sinter!"
"Recht so! Dann mal los auf die Marder-Mafia von
Sonngarten und der umliegenden Feld- und Waldregion!"
"Halt!" Kirra springt vor. "So geht es nicht,
verehrter Sinter!"
"Oh, sie verehrt mich", flüstert Sinter Mogli ins
Ohr.
"Unsere Nester sind bedroht! Wenn wir nicht täglich
unser Hölzchen-Soll erfüllen, wollen die Marder unsere Nester plündern, kurz
bevor die Jungen aus den Eiern schlüpfen!"
Franca, die Elster schüttelt sich. "Wenn ein
vorwitziges Katzentier", sie wendet sich kurz Schnee zu,
"entschuldige bitte, liebe Schnee!" Wenn also ein vorwitziges
Katzentier sich auf unser Nest zubewegt, greifen wir es an."
"Das mag in lichten Chausseebäumen funktionieren, aber
nicht im dichten Geäst unserer Wald-Behausungen. Die Marder schleichen sich von
unten an die Nester heran - geschützt durch dichtes Astwerk - und zupfen geschickt ein paar der untersten
Hölzchen heraus. Dann purzelt aus dem Boden die Brut. Das Nest ist unbrauchbar
und muss aufwändig repariert werden."
"Leone, die zweite Pfote vom Marderchef Corro, ist ein
wahrer Teufel," ergreift Sinter das Wort. "Er ist ein Spezialist im
Ausrauben von Nestern und im Massakrieren von Jungvögeln."
"Das hat unser Volk schon mehrfach erdulden
müssen." Kirra seufzt.
"Woher hast du die Informationen, Sinter?" Mogli
fixiert aufmerksam den Fuchs.
"Ich habe die Marder-Gesellschaft seit einiger Zeit
beobachtet und selbst schon gegen das Anliefern von Hühnereiern und Feldmäusen
Dutzende von Hölzchen für die Renovierung unseres Baus erhalten."
Er stockt und schaut sich verlegen um, da er strenge Blicke
einfängt.
"OK! OK! Freunde der Nacht! In letzter Zeit begann ich,
die Zusammenhänge zu begreifen, die mir mit dem heutigen Tag glasklar geworden
sind. Ich bin auf eurer Seite. Logo! Immer auf eurer Seite!"
"Und auf der Seite der Raben", wispert Grünfink
aus dem Fell hervor.
"Und auf der Seite der Raben!" Sinter richtet sich
an Kirra. "Wie aber, verehrte Kirra, können wir dir helfen?"
Kirra bleibt stumm. Mogli zuckt mit den Schulterblättern,
das Zeichen für Grünfinks Auftritt. Der Vogel fliegt sogleich auf Kirra zu.
"Wir müssen sofort helfen, Kirra. Wenn die Marder heute
Nacht keine Hölzchen finden, rückt Leone mit seiner Gang an und besteigt die
Bäume eurer Siedlung. Ich nehme einmal an, fast in jedem eurer Nester ruhen
Eier oder flattern feuchte Geschlüpfte."
"So ist es!" Kirra schluckt. "Aber was sollen
wir tun? Ich habe keine Idee."
"Aber wir! Verlass dich auf uns! Es wird einiges zu tun
sein, doch heute Nacht seid ihr geschützt!"
Schnell hat sich die Versammlung aufgelöst. Mogli, Grünfink
und Schnee, sowie Kirra und Borr bleiben übrig. Man verabschiedet sich. Mogli
verspricht, in der Dämmerung die "Schutzaktion der Raben" beginnen zu
lassen. Borr und Kirra schauen sich fragend an, erheben sich in die Luft und
fliegen davon.
"Und jetzt beginnt meine Schwerstarbeit." Grünfink
lässt die Flügel hängen und wendet sich Schnee zu.
"Nur zu! Du Pick- und Zupfwunder! Das Frauchen von
Mogli wird entzückt sein, warum sie kaum etwas zu bürsten hat, wenn sie auch
die Gründe nicht verstehen wird."
"Na ja", äußert sich Mogli, "ist viel zu
selten, dass sie meine Unterwolle herausbürstet. Ist immer mit diesen winzigen
Glaskügelchen, die sie Perlen nennt, beschäftigt, mit denen sie,
zugegebenermaßen, prachtvolle Armbänder hervorzaubert. Mein Fell aber bleibt
auf der Strecke!"
"Auf denn!" Grünfink flattert in die Luft, und die
Freunde streben dem Dorf zu.
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Allmählich häuft sich die Unterwolle aus Moglis Fell auf der
Terrasse zu einem veritablen Wollgebirge an. Schließlich lässt sich Grünfink
erschöpft vom Rücken des Freundes fallen. Schnee umkreist den Wollberg.
"Das müsste reichen. Was dein perlensüchtiges Frauchen
an Hundehaaren unter den Autos verteilt, hat bislang jeden auf Gummischlauch
begierigen Marder vertrieben."
"Nun denn!" Mogli werkelt sich auf die Pfoten. Sie
streckt und reckt sich ausgiebig. "Wir sollten das Wollgebirge in den Wald
schaffen."
"Fragt sich nur wie?" keucht Grünfink.
"Herrchen!"
Mogli betritt das Wohnzimmer durch die Terrassentür, wo
Herrchen im Sessel sitzt und Zeitung liest. Frauchen ist aushäusig - wo auch
immer. Mogli brummt und lässt kunstvoll eine verhaltene Jaul-Melodie
einfließen. Das erweckt Herrchens Aufmerksamkeit. Er reißt sich von seiner
Lektüre los und geht zur Terrassentür. Mit einem "Was ist los,
Mogli?" geht er auf den Hund zu, beugt sich nieder, um ihn zu streicheln
und stutzt, als er auf der Terrasse den Wollberg erblickt.
"Was ist das denn? Ach Gott! Wenn Frauchen das sieht!
Hast du dir die Unterwolle etwa selbst herausgezupft? Wäre ja ganz neu! Egal,
der Haufen muss weg! Fragt sich nur wohin? In den Mülleimer? Nee, ist zuviel!
Ich packe das Zeug in einen Plastiksack und schaffe den Inhalt in den Wald beim
Brückchen! Die Vögel werden sich freuen, Material für ihre Nester zu
finden."
Gesagt, getan und schnell getan. Nach wenigen Minuten schon
streben Herrchen und Mogli dem Wald zu. Der Sack wird entleert, und Mogli geht
auf Schnüffeltour, ohne auf die Rufe des Herrchens zu hören.
"Dann bleibe eben noch eine Weile in deinem Revier!
Komme aber rechtzeitig zurück, ansonsten wird Frauchen ... Na, du weist
schon!"
"Was nun?" Mogli schaut Grünfink fragend an.
"Cop, der Eichelhäher, müsste bereits mit seinen
Kumpels in den Ästen der Bäume unterhalb der Rabennester auf uns warten. Etwa
zwanzig Meisen halten sich zudem bereit, die Woll-Wölkchen unterhalb der Nester
kunstvoll ins Geäst zu heften."
Die Arbeit ist überraschend schnell erledigt. Die
eilfertigen Meisen, wohl wissend, dass auch sie zur gefährdeten Gruppe zählen,
wenn den Mardern kein Einhalt geboten wird, picken und kleben mit ihrem Speichel
die Wolle an das Holz, nachdem die Eichelhäher das Schutzgut umsichtig verteilt
haben.
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"Die kleinen Höllenhunde sind unterwegs. Nun beginnen
sie, den Wald zu erobern!" Leone ist außer sich. Atemlos stürzt er in den
Marderbau und berichtet Corro, dem Chef, vom gescheiterten Anschlag auf die
Rabennester.
"Was erzählst du da für einen Unsinn! Höllenhunde
...!"
"Die Schwarzweißen, die auch unter den
Fortbewegungsmaschinen der Tierschänder im Dorf hocken und uns während unserer
nächtlichen Streifzüge oft genug das Fürchten gelehrt haben!"
Corro wischt mit seiner Vorderpfote nervös über seine
Schnauze. "Das ist unübliches Verhalten", brummt er vor sich hin.
"Da muss mehr dahinter stecken." Dann herrscht er seinen Kompagnon
Leone an: "Wir geraten ins Hintertreffen. Die Schwarzflügel-Schreier
konnten wir nicht abstrafen. Die Hölzer bleiben aus, und wir kommen mit den
Lieferungen nicht nach." Dann blitzt es aus seinen Augen. "Wir
brauchen eine Lösung, Leone! Eine Lösung muss her!"
Der Marder zuckt zusammen und zieht sich langsam rückwarts
schleichend in den Bau zurück. Dort hocken weitere Marder und schauen Leone
erwartungsvoll aus ängstlichen Augen an.
"Wir brauchen eine Lösung, Freunde! Zwei von euch
begleiten mich in den Wald. Jetzt!"
In der Baumkrone am Waldesrand hockt Franca, die Elster und
beobachtet, begünstigt durch das Licht des Mondes, den Ausflug der Marder. Die
sind verunsichert, denkt sie, und das ist gut für uns. Sie verfolgt den Lauf
der Marder, der zu den Rabenbäumen führt und von dort über die Wiese zum
Feldweg. Im Schutz des Gebüschs eilen sie zur Brücke. Franca hebt ab und segelt
lautlos durch die Nacht hinüber zur Obstbaumwiese. Die Marder haben inzwischen
die ersten Häuser des Dorfes erreicht und huschen unter die geparkten Autos, wo
sie allerdings nicht lange verweilen. Vor einer Scheune versammeln sie sich
nahe einer Wassertonne.
"Freunde, die Luft ist rein", flüstert Leone.
"Doch was mich stutzig macht ist ein Hauch von Höllenduft, der in der Luft
schwebt. Lasst uns rasch weiter in das Dorf vordringen. Vielleicht lösen wir
das Rätsel."
"Ist zu gefährlich, Leone! Wir könnten in den Schlund
der Höllenbrut gestürzt werden." Lollo bedeutet Leone, den Rückweg
anzutreten. Doch der entscheidet sich anders.
"Bleibt hier und wartet auf mich! Bin in Kürze wieder
bei euch!"
Vom Dachfirst der Scheune hat Franca das Gespräch belauscht.
Sie ist besorgt, dass Leone das Geheimnis der Mogli-Wolle lüftet. Dann wären
die Raben nicht mehr sicher und auch nicht die stinkenden Radmonster, um die es
allerdings nicht schade ist. Sie fliegt in die Höhe und umrundet den Kirchturm.
Secondo hat das Zeichen der Elster verstanden. Er lässt sich vom Kirchturm
fallen, breitet seine Flügel aus und schießt hinüber zur Terrasse von Mogli. Er
landet unmittelbar neben dem Asphalthuscher von Moglis Herrchen, schlüpft unter
die Karosse, pickt ein dort ein Büschel Mogli-Wolle hervor, fliegt rasch auf
und segelt Richtung Kirchturm zurück. Schnell hat er Leone, den Marder, dicht
an einer Häuserwand entlanggleitend, entdeckt. Sofort setzt er zum Sturzflug
an. Ein plötzlicher Schlag gegen den Kopf überrascht den Marder. Er taumelt und
kippt seitwärts um, rappelt sich aber schnell wieder auf. Mit einer Pfote
streicht er über seinen Schädel, nimmt augenblicklich den Höllenduft wahr und
erstarrt.
"Jetzt schießen die Höllenbiester schon aus der Luft zu
uns herab! Wir sind chancenlos!" Außer Atem und mit bebender Stimme, immer
noch bis ins Mark erschüttert, berichtet Leone vom Überfall.
"Was wird bloß Corro zu dieser Entwicklung sagen?"
Doch Corro ist nicht gesprächsbereit. Er ahnt wohl, dass
seiner ehrenwerten Gesellschaft ein harter Schlag versetzt wurde. Wie soll man
darauf reagieren? Aussitzen! Im Bau bleiben, die nötigsten Lieferungen
herausgeben, bei der Kundschaft möglichst nicht den Verdacht erwecken, dass
Engpässe zu erwarten sind und ... aussitzen! Doch als Leone ihm vom
unerwarteten Luftangriff mit Höllenduft erzählt, kommt ihm eine Idee. Und diese
Idee ist, das kann Corro natürlich nicht wissen, kompatibel mit einem Plan, den
fast zur gleichen Zeit Mogli ins Auge fasst.
"Wir müssen handeln, und zwar sofort!" Mogli hockt
mit Sinter, Grünfink und Franca am Waldesrand. Unter dem Brückenbogen wacht
Schnee und wartet auf ein Kommando, das ihr Eingreifen erfordert. Von den Raben
ist weit und breit nichts zu sehen und zu hören.
"Es ist leider nur eine Frage der Zeit, bis Wind und
Wetter meine kunstvoll applizierte Unterwolle von den Baumstämmen und Ästen
unterhalb der Rabennester wie Herbstlaub von den Bäumen hinweggefegt
haben."
"Wohl wahr, Mogli", meldet sich Franca zu Wort.
"Leone war heute Nacht auf Tour und bewegte sich in gefährlicher Nähe
deiner Terrasse, um das Geheimnis der "Höllenbiester"
aufzudecken."
"Ich weiß. Secondo konnte das verhindern. Und nun glauben
die Marder, sie werden aus der Luft angegriffen." Die letzten Worte
spricht Mogli leise vor sich hin. Sie verstummt und schaut plötzlich zu Franca
auf, die auf dem Gartenzaun hockt. "Wir benötigen einen Boten, der den
Mardern halbwegs vertraut ist ..."
Franca dreht und wendet sich. Verlegen lüftet sie einen
Flügel und pickt Phantommilben aus dem Gefieder. "Du weißt, dass ich Kunde
bei Corro bin?"
"Nun ja, deinem kunstvoll und solide gebauten Nest
sieht man es an ..."
"Du musst aber auch wissen", Franca verstärkt ihre
Stimme, "dass ich von Corros Machenschaften bislang nichts wusste!"
"Eben! Und Corro weiß von deinen Machenschaften mit uns
nichts!"
"Darf ich fragen, Franca, mit welcher Münze du bezahlt
hast?" Grünfink kichert. Franca gibt unwirsch zurück:
"Na, was wohl? Lauter glitzerndes Zeug, auf das wir
Elstern kurzfristig scharf sind, es dann aber irgendwo liegen lassen, da wir es
nicht benötigen. Also Glasstückchen, Schrauben, silbrig aufleuchtende
Papierfetzen, funkelnde Steine mit Ringen und dergleichen mehr. Die Marder
lieben solche Sachen und schmücken ihren Bau damit."
Sinter und Grünfink werfen sich vielsagende Blicke zu. In
diesem Augenblick erscheint Schnee. "Ich habe euer Gespräch belauscht, und
bin mir über die Botschaft von Mogli im Klaren. Damit ihr es wisst. Ich bin
ihrer Meinung."
"Mogli hat aber noch nichts gesagt ...!" Sinter
grinst und Grünfink hüpft fröhlich in das Nackenfell seiner Freundin.
"Leone wird im Marderbau sicherlich vom Luftangriff der
Höllenbiester berichtet haben. Franca, du stattest Corro in den Abendstunden
einen Besuch ab und verlangst nach deiner Lieferung, und dann bittest du Corro
scheinheilig ..."
Mit großen staunenden Augen, offenen Schnäbeln und
vibrierenden Schnauzbärtchen verfolgen die Tiere ihren Plan. Selbst Schnee, die
Moglis Ausführungen gerne mit altklugen oder sarkastischen Bemerkung begleitet,
bleibt stumm. Nachdem Mogli geendet hat, werden Verabredungen getroffen. Dann
streben die Freunde ihren Behausungen zu. Die Aktion "Rabenschwarz"
soll noch am selben Abend beginnen.
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"Ich warte auf Franca, die seit einigen Tage überfällig
ist. Zum Glück liegt ihr Holzstapel bereit." Corro kauert mit Leone vor
dem Bau im Schutz eines hohen Lindenbaumes am rückwärtigen Waldesrand, wo die
weite, kaum zu übersehene Rasenfläche des Flughafengeländes beginnt.
"Die Elster erscheint meistens in den
Abendstunden!" gibt Leone zurück. Freue mich schon auf die Glitzerwelten,
die ..."
"Ruhe! Ich verlange heute keine Abgaben, sondern nur
Informationen!"
"Trifft sich gut, Corro!" Franca, die schon seit
einiger Zeit unbemerkt im Geäst des Baumes sitzt, fliegt herbei und lässt sich
vor den Marder-Gesellen im Gras nieder. "Auch ich benötige Informationen,
denn es geht etwas um im Wald!"
Corro windet sich. Leone blickt verlegen zu Seite. Franca
fährt unbeirrt fort:
"Es geht um unsere Brüder und Schwestern, die Raben
..."
"Ach, die Raben, die Raben ..."
"Halt stopp, Corro! Alle Vögel im Wald sind solidarisch
mit den Raben, was wohl auch verständlich ist. Aus diesem Grunde möchten wir
euch ein Angebot machen und um Hilfe bitten!"
Corro und Leone reißen ihre Augen auf und starren
verständnislos die Elster an. Leone findet als erster die Sprache wieder.
"Nun, liebe Franca, wir teilen zwar nicht deine
Besorgnis, aber wir respektieren deine Solidarität." Und Corro, sichtlich
erleichtert, schaut devot von unten herauf in Francas Augen.
"Hilfe sei dir gewiss, Franca. Keine Frage. Erzähl uns
doch von deinem Angebot!"
"Wir haben herausbekommen, dass die merkwürdig duftenden
Höllenbiester aus der Luft über die Tierwelt der Region hereinfallen und
besonders die Rabenvölker bedrohen. Aus diesem Grunde bitten wir euch, des
Nachts unterhalb der Rabenbäume Stellung zu beziehen, um die Höllenbiester
abzuwehren. Nur ihr seid in der Lage, den Kampf gegen diese fürchterlichen
Gegner aufzunehmen." Und mit leiser Stimme. "Wir Vögel sind machtlos,
aber wachsam!"
"Nun, Franca, du kleiner bedrohter Elsternvogel",
antwortet Corro, und man merkt seiner Stimmlage an, dass er Oberwasser bekommen
hat, "was haben wir als Gegenleistung zu erwarten?"
"Nichts!"
"Oho!" Corro lacht laut heraus und wendet sich
Leone zu, der mit verächtlicher Stimme "Du dumme Elster, aus diesem
Geschäft wird nichts!" herausspuckt.
"Da bin ich mir nicht sicher! Denn auch wir haben an
unseren Schutz gedacht. Cop, dem Eichelhäher und Secondo, dem Falken ist es
gelungen, ein Höllenbiest zu stellen. Es sind Verhandlungen im Gang."
"Verhandlungen welcher Art?" Corro wirkt
geschockt. Leone zieht seinen Kopf zwischen die Schultern.
"Wir würden, um uns und die Raben zu schützen,
sämtliche Zugänge zu den Bauten von Mäusen, Ratten, Hamstern und ... natürlich
auch Mardern, verraten, wenn die Höllenbiester die Vogelwelt in Ruhe
lassen."
"Das ist Erpressung!" Leone verlässt unter Protest
seinen Platz und zieht sich keuchend in den Bau zurück. Corro kneift die Augen
zu Schlitzen zusammen und streckt ganz langsam eine Pfote nach vorn. Er zieht
den schlanken und geschmeidigen Körper nach, so dass er mit seiner Schnauze fast
schon den Schnabel der Elster berührt.
"Du hast gewonnen, Franca. Ich habe die Botschaft
verstanden. Den Raben wird nichts passieren, nie wieder!"
Franca nickt ihm kurz zu, breitet die Flügel blitzschnell
aus, erhebt sich und fliegt hinaus aufs freie, weite Feld. Von fern vernimmt
sie noch den wütenden Schrei des Marders:
"Die erste Rund, Elster, ging an dich und deine
Freunde! Die zweite Runde habe ich soeben eingeläutet."
Das war der erste Teil ...
Der zweite Teil mit dem Titel "Marder-Mafia" erscheint demnächst.
Und welche Geschichte erzählst Du uns heute???
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